zum Hauptinhalt
Syriens Präsident Baschar al Assad.

© Sana/Reuters

Trotz elf Jahren Krieg: Arabische Staaten und die Türkei nähern sich Assad an

Syrien könnte wieder Mitglied der Arabischen Liga werden. Und auch der Erzfeind Türkei ändert den Kurs. Dahinter stecken eigene Interessen.

Syriens Präsident Baschar al Assad steht trotz fast elf Jahren Krieg mit hunderttausenden Toten und Millionen Vertriebenen vor einem diplomatischen Triumph. Arabische Staaten bemühen sich um eine Wiederannäherung an Assad und könnten Syrien in wenigen Wochen wieder in die Arabische Liga aufnehmen.

Auch bei Assads Erzfeind Türkei gibt es Anzeichen für einen Kurswechsel. Zudem verstärkt Russland seine militärische Unterstützung und fliegt wieder mehr Luftangriffe in der Rebellenprovinz Idlib und anderen Landesteilen: Die Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zählte seit Neujahr fast 70 Angriffe der russischen Luftwaffe in dem Bürgerkriegsland.

In Idlib bombardierten russische Jets nach Angaben der Beratungsstelle in den vergangenen Tagen ein Wasserwerk und mehrere Geflügelfarmen. Die Angriffe gehören zur Taktik der russischen und syrischen Militärs, zivile Einrichtungen in Idlib zu zerstören, um die letzte Bastion der Rebellen in Syrien sturmreif zu schießen.

Von der Türkei, die tausende Soldaten in Idlib stationiert hat, um einen Angriff von Assads Bodentruppen auf die Provinz abzuwehren, kam kein öffentlicher Protest. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hofft auf grünes Licht von seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin, um östlich von Idlib auf syrischem Boden mit einer neuen Militärintervention gegen kurdische Milizionäre vorgehen zu können.

Genehmigung des UN-Sicherheitsrates für Grenzübergang läuft ab

Drei Millionen Menschen in Idlib werden über den türkischen Grenzübergang Bab al-Hawa von der UN mit Hilfsgütern versorgt, doch am Montag läuft die Genehmigung des UN-Sicherheitsrates für diese Regelung ab. Unklar ist bisher, ob Russland per Veto die Schließung des Übergangs durchsetzen will, sodass die UN-Hilfslieferungen nur noch über Assads Herrschaftsgebiet laufen können. Dann könnte der syrische Präsident die Lieferungen an seine Gegner in Idlib drosseln.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres erklärte den Übergang Bab al-Hawa kürzlich in einem internen UN-Bericht für unverzichtbar. Der Westen ist ebenfalls dafür, Bab al-Hawa offenzuhalten.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Auch in anderen Teilen Syriens kann Assad auf Erfolge hoffen. Die regierungsnahe türkische Zeitung „Türkiye“ meldete, Ankara führe vertrauliche Gespräche mit der Assad-Regierung über Sicherung und Wiederaufbau der nordsyrischen Metropole Aleppo, die rund 60 Kilometer südlich der türkischen Grenze liegt.

Demnach will Erdogan den Wiederaufbau unterstützen, um zumindest einen Teil der 3,6 Millionen syrischen Flüchtlinge aus der Türkei in ihr Heimatland zurückschicken zu können. „Türkiye“ zählte mehrere Bedingungen Ankaras für eine Einigung mit Syrien auf - die jahrelang erhobene Forderung nach Assads Machtverzicht war nicht darunter.

„Großes Feilschen“ internationaler Mächte

Eine Änderung der türkischen Haltung zum Assad-Regime würde in die politische Landschaft der Region passen. In Syrien beginne derzeit ein „großes Feilschen“ internationaler Mächte über die Zukunft des Landes, schrieb der Kolumnist Sedat Ergin, einer der besten Kenner der türkischen Außenpolitik, in der Zeitung „Hürriyet“. Als Nachbarland sei die Türkei von den Entwicklungen direkt betroffen. Deshalb sei es auf Dauer unrealistisch von der türkischen Regierung, Assad als Gesprächspartner abzulehnen, fügte Ergin hinzu.

Andere Staaten der Region haben sich schon umorientiert. Bahrain schickte vorige Woche zum ersten Mal seit dem Beginn des syrischen Bürgerkrieges einen Botschafter nach Damaskus. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben neue hochrangige Kontakte zu Assads Regierung aufgenommen.

Syriens Rückkehr in die arabische Staatengemeinschaft könnte schon im März - elf Jahre nach Ausbruch des syrischen Konflikts - besiegelt werden: Beim nächsten Gipfeltreffen der Arabischen Liga in Algerien steht eine Entscheidung darüber an, die 2011 beschlossene Suspendierung der syrischen Mitgliedschaft wieder aufzuheben. Mitgliedsstaaten wie Jordanien, Irak und Ägypten sind dafür, und auch Gastgeber Algerien hat Zustimmung angedeutet. Die Rehabilitierung Syriens im arabischen Lager könnte Assad auch vor einem neuen türkischen Angriff schützen.

Die erwartete Wiederaufnahme von Damaskus in die Arabische Liga sei schließlich auch ein Erfolg für Assads Schutzmacht Russland, meint Kerim Has, Experte für russische Nahost-Politik in Moskau. Deshalb werde Putin dem türkischen Präsidenten Erdogan auf absehbare Zeit wohl kaum die Erlaubnis für einen weiteren Truppeneinmarsch in Syrien geben, sagte Has ; auch beim Wiederaufbau von Aleppo wolle Putin der Türkei keine große Rolle zugestehen. Für Assad könnte 2022 zu einem Erfolgsjahr werden.

Zur Startseite