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Transplantation trotz Krise: In einer Klinik wird einem Spender eine Niere entnommen

© Jan-Peter Kasper / picture alliance / dpa

Exklusiv

Trotz Coronakrise: Zahl der Organspender gestiegen

Die Zahl der Organspender hierzulande ist im ersten Halbjahr deutlich gestiegen – trotz Coronakrise. Eine Trendwende sehen Experten aber noch nicht.

Trotz Coronakrise hat sich die Zahl der Organspender hierzulande in den ersten sechs Monaten dieses Jahres deutlich erhöht. Nach aktuellen Daten der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), die dem Tagesspiegel Background Gesundheit & E-Health vorliegen, wurden seit Januar 2020 in Deutschland 487 Verstorbenen Organe für Transplantationen entnommen. Das ist, gemessen am ersten Halbjahr 2019, eine Steigerung um 7,3 Prozent. Die Zahl der gespendeten Organe erhöhte sich um ziemlich genau drei Prozent – von 1511 auf 1557. 

Bei der DSO sehen sie in alldem zwar noch keine Trendwende. Der Medizinische Vorstand der Stiftung, Axel Rahmel, nannte es aber eine „sehr positive Entwicklung“, dass die Zahl der Organspender trotz Coronakrise nicht zurückgegangen sei. „In anderen Länder wie Italien, Spanien oder Frankreich sind die Zahlen dramatisch eingebrochen. Das ist bei uns nicht der Fall.“ Allerdings gehe auch hierzulande der wesentliche Teil der Steigerungen auf die Zeit unmittelbar vor der Krise zurück. Im Januar und Februar 2020 stieg die Zahl der Organspender den Angaben zufolge verglichen mit den ersten beiden Monaten des Vorjahres von 140 auf 181. Das entspricht einem Plus von nahezu 30 Prozent.

Reaktion auf Reformdebatte?

Befördert worden sein könnte der Anstieg der Organspenderzahl kurzfristig auch durch die ausgiebige Debatte um eine Widerspruchsregelung in Deutschland. Mitte Januar hatte der Bundestag zwar die Idee verworfen, wonach alle Bürger, die dem nicht zu Lebzeiten widersprochen haben, nach ihrem Tod automatisch als Organspender zu führen wären. Nach dem heftig ausgetragenen Streit über eine grundlegende Reform war die Nachfrage nach Organspendeausweisen aber sprunghaft gestiegen. Im Januar hatten sich etwa doppelt so viele Bürger wie sonst ein solches Dokument bestellt.

Die Zahl der Transplantationen indessen sank weiter. Sie verringerte sich um 1,2 Prozent und betrug nur noch 1568.  Dieses Minus hängt mit dem Eurotransplant-Verbund zusammen, dem neben Deutschland noch die Benelux-Staaten, Österreich, Slowenien, Kroatien und Ungarn angehören. Im ersten Halbjahr 2019 bezog Deutschland aus dieser Zusammenarbeit 83 Organe mehr, als hierzulande gespendet wurden. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres betrug die Differenz nur noch sechs Organe –was vor allem mit dem teilweise heftigen Rückgang der Spenderzahl in anderen Eurotransplant-Ländern geschuldet ist. In Ungarn etwa betrug dieses Minus im ersten Halbjahr nach vorläufigen Analysen 39 Prozent. In Belgien waren es 21, in Kroatien 14 Prozent.

Deutliches Minus in Nordrhein-Westfalen   

Bei den hierzulande gespendeten Organen fallen im Vergleich vor allem zwei Bundesländer auf. Nordrhein-Westfalen, weil sich die Zahl dort entgegen dem Trend um 18,3 Prozent verringerte (von 316 auf 258). Und Rheinland-Pfalz, wo sie sich – auf niedrigerem Niveau – um 34 Prozent erhöhte (von 86 auf 116). Rückgänge gab es ansonsten nur noch in den bevölkerungsschwächeren Ländern Bremen (50 Prozent; von 22 auf 11), Schleswig-Holstein (38 Prozent; von 47 auf 34), Brandenburg (21 Prozent; von 20 auf 24) und Mecklenburg-Vorpommern (14,6 Prozent; von 55 auf 48). In Bayern betrug der Anstieg 9,3 Prozent (von 204 auf 223), in Baden-Württemberg lag er bei 7,2 Prozent (von 195 auf 209). In Berlin blieb mit 89 gespendeten Organen alles beim Alten.

Ein auffällig deutliches Plus bei den Transplantationen verbuchte Schleswig-Holstein mit einer Steigerung von 40 auf 82 und Mecklenburg-Vorpommern mit 23 statt vorher nur 9 Organübertragungen. Die meisten Transplantationen fanden in Nordrhein-Westfalen statt (356), gefolgt von Bayern (209) und Baden-Württemberg (196).

Mehr als 9000 Patienten auf der Warteliste    

Auf der offiziellen Warteliste von Eurotransplant hat sich unterdessen wenig verändert. Dort standen Ende Juni bundesweit insgesamt 9.011 Personen aus Deutschland. Im Januar 2019 waren es 9403. Die mit Abstand meisten der dort Gelisteten, nämlich 7203, warten derzeit auf eine Spenderniere. Eine Leber benötigen 851 Patienten, ein Herz 717 Patienten. Die Zahl der auf eine Lungentransplantation Wartenden beträgt 262, auf eine Bauchspeicheldrüse hoffen 244 Menschen. Die Zahl der Patienten, die sich ein Spenderorgan erhoffen, ist also nach wie vor weit höher als die der Organspender – wobei sich viele Dialyse-Patienten, die von einer Nierentransplantation profitieren könnten, aufgrund von empfundener Aussichtlosigkeit oft gar nicht auf die Warteliste setzen lassen. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland beim Organspendeaufkommen nach wie vor auf einem der hintersten Plätze.

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