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Auf der Suche nach einem Weg, um die Wahlniederlage in einen Sieg zu verkehren: Donald Trump im Oval Office

© AFP/Mandel Ngan

Tricksereien mit den Wahlleuten: Donald Trump, der Wahlverfälscher

Der US-Präsident testet abenteuerliche Wege, um das Wahlergebnis nachträglich umzudrehen. Welche Erfolgsaussichten hat seine Taktik? Eine Analyse.

Kaum ein Tag vergeht ohne Kopfschütteln über die Entwicklung in den USA. Aber auch kaum einer ohne zweifelnde Fragen, ob Demokratie und Rechtsstaat diesen Test bestehen.

Obwohl der Wahlausgang eigentlich klar ist und ebenso die Schritte vorgezeichnet sind, die nun zur Amtseinführung Joe Bidens als 46. Präsident am 20. Januar führen müssten, setzt Donald Trump den Kampf gegen das Ergebnis fort. Parallel testet er Möglichkeiten, wie er die Amtsübergabe an Biden als Konsequenz aus seiner Wahlniederlage abwenden kann.

Das verunsichert viele. Hat der amtierende Präsident den Kontakt zur Realität verloren? Oder hat er ein besseres Gespür für das machtpolitisch Mögliche als seine Kritiker?  

Welche Hoffnung verfolgt Trump in Michigan?

Am Freitagabend hatte Trump republikanische Landtagsabgeordnete aus Michigan ins Weiße Haus eingeladen; im offiziellen Terminkalender des Präsidenten ist das Treffen nicht vermerkt. Laut US-Medien wollte Trump diskutieren, ob und wie der Staat Michigan Wahlleute entsenden könnte, die bei der formalen Wahl des Präsidenten am 14. Dezember durch das Wahlleute-Gremium für Trump stimmen. Die Mehrheit der Bürger in Michigan hat Biden gewählt.

Michigan hat jedoch einen Landtag mit republikanischer Mehrheit und eine demokratische Gouverneurin. Beide Institutionen haben eine Mitsprache bei der Feststellung des Wahlergebnisses und der Entsendung der Wahlleute. Die Wahlkommission mit Vertretern beider Parteien muss den Wahlausgang bis Montag zertifizieren. Trump hat mindestens ein republikanisches Mitglied angerufen, um das zu verhindern.

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Die Absicht dahinter? Wenn es kein offizielles Wahlergebnis gibt, könnte der Landtag nach Ansicht mancher Juristen frei entscheiden, welche Wahlleute er für Michigan entsendet. Diese These ist jedoch umstritten. Nach aller Voraussicht würde die demokratische Gouverneurin dagegen klagen. Die Wahlleute müssen regulär bis zum 8. Dezember benannt werden.

Die Republikaner aus Michigan sagten nach dem Treffen jedoch, sie würden das Wahlergebnis zertifizieren. "Wir haben keine Informationen bekommen, die den Ausgang in Michigan ändern könnten." Nach den bisherigen Zahlen liegt Joe Biden dort drei Prozentpunkte vor Trump.

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Selbst wenn dieser antidemokratische Ansatz Erfolg hätte – Michigan entsendet Wahlleute für Trump, obwohl die Bürger mehrheitlich Biden gewählt haben -, würde das die Mehrheitsverhältnisse im Wahlleutegremium nicht entscheidend ändern. Michigan hat 16 Stimmen, Bidens Vorsprung auf dem Papier würde von 306 auf 290 Stimmen sinken, immer noch weit mehr als die 270, die für die Wahl zum Präsidenten erforderlich sind.

Trump müsste also in weiteren Staaten erfolgreich Zweifel am Wahlausgang säen und Wege finden, wie auch dort Wahlleute ernannt werden, die für ihn stimmen, an Stelle von Wahlleuten, die angesichts des Wahlausgangs für Biden stimmen sollen. Nach Recherchen der „New York Times“ hat der Präsident Mitarbeiter gefragt, wie er das einfädeln kann.

Welche Aussichten hat er in anderen Staaten?

Einspruch gegen die vorläufigen Wahlergebnisse haben Republikaner auch in Arizona (11 Wahlleute), Georgia (16 Wahlleute), Pennsylvania (20 Wahlleute) und Wisconsin (10 Wahlleute) in mehreren Verfahren eingelegt. Bisher ohne nachhaltigen Erfolg. Trumps Anwalt Rudy Giuliani bekräftigte die Vorwürfe schweren Wahlbetrugs bei einer Pressekonferenz. Von der blieb freilich vor allem haften, dass ihm dunkler Schweiß über die Wange rann.

In Arizona wies ein Gericht den Antrag auf Nachzählung im größten Wahlbezirk am Donnerstag ab; er habe keine Erfolgsaussicht. Demokraten argwöhnten, die Klage habe nur das Ziel gehabt, das offizielle Wahlergebnis zu verzögern, um auch dort den Landtag ins Spiel zu bringen. Georgia hat sechs Tage lang per Hand Stimmen erneut ausgezählt. Der für das amtliche Wahlergebnis zuständige Secretary of State Brad Raffensperger bestätigte in der Nacht zu Samstag Bidens Sieg. "Ich halte mich an das Motto: Zahlen lügen nicht."

„Die Versuche der Republikaner, das Wahlergebnis umzudrehen, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit scheitern“, fasst die „New York Times“ die Lage zusammen.

Wie reagieren Geburtstagskind Biden und andere Spitzenpolitiker?

Joe Biden, der am Freitag seinen 78. Geburtstag feierte, hatte bisher mit staatsmännischer Geduld darauf reagiert, dass Trump die üblichen Schritte zur Amtsübergabe verweigert. Nach einem Gespräch mit Gouverneuren beider Parteien über die Wirtschaftskrise am Donnerstag wählte er deutliche Worte. Trump sei „einer der verantwortungslosesten Präsidenten der amerikanischen Geschichte“ und gebe vor der übrigen Welt „ein schreckliches Beispiel, was für ein Land wir sind“. Trump wisse, dass er die Wahl nicht gewonnen habe und dass er, Biden, am 20. Januar den Amtseid als Präsident ablegen werde.

Der republikanische Senator von Utah, Mitt Romney, warf Trump vor, er wolle „den Willen des Volkes verdrehen“. Es sei „schwer, sich ein schlimmeres und undemokratischeres Verhalten eines amtierenden Präsidenten vorzustellen“.

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Mehrere entscheidende Landespolitiker wiesen Trumps Ansinnen zurück. Robin Vos, der republikanische Landespräsident von Wisconsin sagte zur Bestimmung der Wahlleute: „Nach unseren Vorschriften können wir nicht in den Prozess eingreifen.“ Sein Amtskollege in Arizona, Rusty Bower, schrieb an andere Republikaner: „Ich habe einen Amtseid auf die Verfassung geschworen.“ Gerichte hätten Trumps Behauptungen über Wahlbetrug zurückgewiesen und klargestellt, dass Abgeordnete nicht den Willen der Wähler ins Gegenteil verkehren können.

Der australische Künstler Scott Marsh hat Donald Trump karikiert
Der australische Künstler Scott Marsh hat Donald Trump karikiert

© Loren Elliott/REUTERS

Zugleich fällt auf, dass hohe Republikaner schweigen, statt sich wie Bower zu den Prinzipien eines demokratischen Rechtsstaats zu bekennen, darunter der Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, der Fraktionsführer im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, sowie die meisten Gouverneure, Senatoren und Abgeordneten.

Wie entwickeln sich die Umfragen?

Die Meinungserhebungen lassen wenig Raum für Trumps Versuche, sich gestützt auf den Volkswillen an der Macht zu halten. Sie erklären aber zugleich, warum so wenige Republikaner sich seinen Versuchen, das Wahlergebnis zu konterkarieren, ausdrücklich widersetzen. 73 Prozent der Amerikaner glauben, dass Joe Biden die Wahl gewonnen habe. Nur fünf Prozent sind der Ansicht, Trump habe gesiegt. Anhänger der Republikaner sehen das aber anders. 68 Prozent von ihnen meinen, die Wahl sei manipuliert, 52 Prozent halten Trump für den wahren Sieger.

In der Konsequenz kritisiert eine deutliche Mehrheit der US-Bürger, 61 Prozent, dass Trump die Einleitung der Amtsübergabe verzögert. 92 Prozent der Demokraten, 67 Prozent der „Independents“, aber nur 25 Prozent der Republikaner äußern Unmut über Trumps Verhalten. In der Gesellschaft insgesamt findet er keine Basis für den Versuch, die Niederlage abzuwenden. Republikaner sehen jedoch seinen weiterhin starken Rückhalt unter konservativen Wählern und nehmen auch mit Blick auf ihr Ansehen in der Partei Rücksicht darauf.

Wie geht es jetzt weiter?

Die 50 Bundesstaaten haben ihre je eigenen Regeln, bis wann sie ein offizielles Wahlergebnis feststellen müssen. In Michigan bis Montag. Gegen das amtliche Ergebnis kann man klagen. Die Frage ist allerdings, wie aussichtsreich. Bisher haben die Gerichte schlecht begründete Anfechtungen rasch abgelehnt.

Bis zum 8. Dezember müssen die Wahlleute benannt sein. Am 14. Dezember sollen sie den Präsidenten wählen, am 23. Dezember das Ergebnis dem Kongress mitteilen.

Trump legt es offenbar darauf an, diesen Prozess entgleisen zu lassen – in der Hoffnung, dass der Kongress den Präsidenten wählt, wenn der traditionelle Weg über die Wahlleute misslingt. In Trumps Drehbuch hätte bei der Präsidentenwahl durch den Kongress jeder Staat eine Stimme. Und da es mehr republikanisch dominierte als demokratisch dominierte Staaten gibt, hofft er, so Präsident zu bleiben. Es ist höchst zweifelhaft, dass die US-Gerichte und andere Institutionen dabei mitmachen.

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