zum Hauptinhalt
Stau der Verbrennungsmotoren. Der Straßenverkehr trägt einen großen Teil dazu bei, dass Deutschland seine Klimaziele bis 2020 deutlich verfehlen wird.

© Sebastian Kahnert, dpa

Treibhausgase: Deutschland verfehlt seine Klimaziele für 2020 deutlich

Das Vorhaben war ehrgeizig: Bis 2020 sollten die Treibhausgase um 40 Prozent reduziert werden. Jetzt gehen Experten davon aus, dass es nur 30 Prozent werden.

Deutschland wird sein Klimaziel für 2020 noch weiter verfehlen als bisher gedacht und nur eine Minderung der Emissionen um 30 Prozent erreichen. Das legt eine Studie der Denkfabrik Agora Energiewende nahe. Grund sei ein höheres Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum als bisher angenommen. Außerdem lägen die Preise für Diesel, Benzin und Gas deutlich niedriger als erwartet. Und Verschmutzungsrechte seien im europäischen Emissionshandel weiterhin billig zu erwerben.

Beschlossen hatte die damalige große Koalition 2007 eine Reduktion der Treibhausgase um 40 Prozent im Vergleich zu 1990. Grund war nicht allein der Klimaschutz, sondern auch der Wunsch, Deutschland als starke Exportnation im Bereich erneuerbare Energien zu positionieren und die Importabhängigkeit von fossilen Rohstoffen zu verringern. Trotzdem war das Ziel ehrgeizig: EU-weit gelten für 2020 nur 20 Prozent Minderung.

Warnungen seit Jahren

Experten warnen allerdings seit Jahren, dass mehr getan werden müsse, um das deutsche Ziel zu erreichen. In einem Projektionsbericht gab die Bundesregierung im Frühjahr halbwegs Entwarnung: Minus 36 Prozent würden auf jeden Fall erreicht. Denn man habe ja wegen der absehbaren Lücke das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 und den Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz auf den Weg gebracht.

Nun urteilt Agora Energiewende, dass der Ausstoß von Treibhausgasen lediglich um 30 bis 31 Prozent zurückgehen werde. „Schon seit Helmut Kohl forciert Deutschland den Klimaschutz. Ein deutliches Verfehlen des Minus-40-ProzentZiels würde daher nicht nur dem Klima schaden, sondern ebenfalls die deutsche Vorreiterrolle international grundlegend infrage stellen“, schreiben die Verfasser Patrick Graichen, Frank Peter und Philipp Litz.

Das Umweltministerium widerspricht

Die Reaktion von Klimaexperten folgte prompt. „Hier geht es nicht einfach nur um ein paar Prozentpunkte. Der Klimawandel zerstört schon heute die Lebensgrundlagen vieler Menschen in den armen Ländern. Dürren, Überschwemmungen und Stürme verschärfen weltweit Hunger und Armut“, sagt zum Beispiel Jan Kowalzik von Oxfam. Reiche Länder wie Deutschland könnten sich da nicht aus der Verantwortung stehlen. Greenpeace Klimaexperte Karsten Smid urteilt: „Angela Merkels warme Worte lassen Deutschlands Kohlendioxid-Werte nicht sinken. Das gelingt nur mit konsequenter Klimapolitik, die überflüssige Kohlekraftwerke vom Netz nimmt und den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor einleitet. Mit ihrer wankelmütigen Energie- und Verkehrspolitik torpediert Merkels Regierung die Energiewende und untergräbt das Pariser Klimaabkommen.“

Im Umweltministerium jedoch teilt man die „äußerst negative“ Einschätzung der Agora Energiewende nicht, sagte ein Sprecher. „Wir gehen weiterhin davon aus, dass wir weitere Fortschritte bei der Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2020 erreichen werden. Denn viele der im Rahmen des Aktionsprogramms Klimaschutz 2020 beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen beginnen zu wirken.“ Wie diese Maßnahmen insgesamt wirken, werde dann später die neue Bundesregierung im Klimaschutzbericht 2017 darlegen. Dieser werde dem Kabinett voraussichtlich Anfang 2018 vorgelegt. Bereits im jüngsten Klimaschutzbericht von Ende 2016 hatte die Bundesregierung festgestellt, dass das Klimaziel für 2020 nicht erreicht wird. „Es ist daher unbestritten, dass zu Beginn der kommenden Legislaturperiode noch einmal kräftig nachgesteuert werden muss“, findet man im Umweltministerium.

Emmissionen im Verkehr kaum gesunken

Eine wichtige Maßnahme sei, die Strukturwandelkommission für den Kohleausstieg nach der Bundestagswahl schnell einzusetzen. Und es müssten die bisherigen Zubauraten bei den erneuerbaren Energien deutlich erhöht werden, heißt es weiter.

Es folgt dann ein Seitenhieb auf das Verkehrsministerium: „Zudem brauchen wir mehr Tempo bei der Elektrifizierung des Verkehrs“, teilt das Umweltministerium mit. Seit 1990 sind die Emissionen aus dem Verkehr nämlich kaum gesunken.

Für eine Neugestaltung der Abgaben auf Strom sprach sich am Donnerstag unabhängig von der Agora-Studie einer der beiden neuen Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme, Hans-Martin Henning, aus. Die Stromsteuer, die für jede Kilowattstunde anfällt, könne abhängig vom CO2-Ausstoß bei der Erzeugung erhoben werden und so eine Lenkungswirkung entfalten, schlägt Henning vor.

Zur Startseite