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Putin und Erdogan sind in Syrien Verbündete - doch mit jeweils eigenen Interessen.

© Alexander Nemenov, AFP

Update

Treffen in Moskau: Putin und Erdogan feilschen um Nordsyrien

Die Türkei will ihren Einfluss in Syrien mit einer Pufferzone ausbauen, Russland strebt die Rückkehr des Assad-Regimes an. Doch es gibt mehrere Streitpunkte.

Sie sind die Gewinner der US-Entscheidung zum Truppenrückzug aus Syrien: Der russische Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdogan haben am Mittwoch in Moskau bei ihrem ersten Gipfeltreffen in diesem Jahr über die Konsequenzen aus dem Abzug beraten. Die beiden Politiker, die seit 2016 in Syrien zusammenarbeiten, wollen ihren Einfluss auf jenes Viertel des syrischen Staatsgebietes ausdehnen, das bisher von den Amerikanern und deren kurdischen Verbündeten beherrscht wird. Doch es fällt Putin und Erdogan nicht leicht, das Fell des Bären zu zerteilen.

Offiziell ist aus Sicht der Türkei alles in Ordnung im Verhältnis zu Moskau. Erdogan und Putin würden das „Durcheinander in der Region entwirren“, schrieb Ibrahim Karagül, Chefredakteur der Erdogan-treuen Zeitung „Yeni Safak“, am Tag des Gipfels. Die beiden Staatschefs hatten sich allein im vergangenen Jahr sieben Mal getroffen. Nur mit ihren Dolmetschern an der Seite setzten sich die beiden Staatschefs am Nachmittag zusammen und tauschten Höflichkeiten über die gute Entwicklung des bilateralen Handels aus.

Warnung aus Moskau

Russland und die Türkei kooperieren zwar in Syrien, doch diese Kooperation wird nicht zuletzt durch die Ausklammerung von Streitpunkten möglich. Sie treten durch den geplanten Rückzug der USA nun stärker in den Vordergrund. Beide Präsidenten begrüßten den Abzug. Erdogan stellte aber klar, dass die dortigen Kurdenverbände, bisher Verbündete der USA, für ihn ein Gegner seien. Hauptaufgabe für die Türkei in Syrien sei der Kampf gegen die Terrorgruppen Islamischer Staat (IS) und YPG, sagte er. Ankara rechnet die Miliz zur Kurdischen Arbeiterpartei PKK.

Russland unterstützt die syrische Regierung und deren Ziel, alle Teile des Staatsgebietes wieder zu erobern, also auch die bisherigen US-Gebiete. Die Türkei möchte ihren Einfluss in Nord-Syrien jedoch weiter ausbauen.

Kurz vor dem Gipfel hatte eine Erklärung des russischen Außenministeriums bereits klargemacht, dass Moskau nicht völlig zufrieden ist mit der türkischen Politik in Syrien. Die Lage in der Provinz Idlib sei sehr Besorgnis erregend und verschlimmere sich rapide, sagte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa.

Die Feststellung war ein Nadelstich gegen den Gast aus Ankara. Obwohl die Türkei laut einer Vereinbarung mit Russland aus dem vergangenen Jahr in der von Rebellen gehaltenen Provinz für Ruhe sorgen soll, hat Erdogan nichts gegen die kürzliche Machtübernahme der extremistischen Milizen-Allianz HTS dort unternommen. Von der HTS, die Al Qaida nahesteht, gehe eine Gefahr für syrische Regierungstruppe und eine russische Luftwaffenbasis in der Nähe aus, betonte Sacharowa.

Der warnende Unterton war unüberhörbar. Sacharowa erinnerte die türkische Regierung daran, dass eine Offensive der mit Russland verbündeten syrischen Armee in Idlib nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben ist. Ein Angriff könnte mehrere Millionen Flüchtlinge in die benachbarte Türkei treiben, was Erdogan unter allen Umständen vermeiden will. Bei den Türken wächst kurz vor den Kommunalwahlen im März der Unmut gegen die vielen Syrer im Land.

Putin forderte nach dem Treffen ein schärferes Vorgehen gegen Terrorgruppen in Idlib. „Wir sehen, dass die türkischen Partner viel tun, um die von dort ausgehende Terrorgefahr zu verringern“, sagte der russische Präsident in Moskau. Nötig seien aber gemeinsame Anstrengungen, um die Gefahr endgültig zu beseitigen. Die vereinbarte entmilitarisierte Zone dürfe kein Grund sein, im Kampf gegen Terroristen nachzulassen.

Türkische Ansprüche

Erdogan ist beim Thema Idlib also sowohl von Russland als auch innenpolitisch unter Druck. Außerdem will er die türkische Syrien-Politik auf die angestrebte Pufferzone im Nordosten des Bürgerkriegslandes konzentrieren. In der russischen Presse wurde deshalb spekuliert, Erdogan könnte sich mit einer begrenzten russisch-syrischen Intervention gegen die HTS in Idlib einverstanden erklären, wenn er im Gegenzug im Osten Syriens freie Hand erhalte.

Auch die Türkei schickte am Gipfeltag klare Signale. Artillerie beschoss am Mittwoch Stellungen kurdischer Truppen bei Tel Rifaat im Norden Syriens. Erdogans Presseamtschef Fahrettin Altun kritisierte unterdessen noch einmal die USA wegen deren Unterstützung für die Kurdenmiliz YPG, die von der Türkei als Terrorgruppe betrachtet wird. Mit der Pufferzone wollen die Türken die YPG aus dem Grenzgebiet verbannen. Altuns Kritik unterstrich den Anspruch der Türkei auf eine Rolle im Norden Syriens nach dem Abschied der Amerikaner.

Doch Putin, der militärisch und politisch entscheidende Mann in Syrien, zögert mit der Erlaubnis für eine neue türkische Intervention. In den Tagen vor dem Gipfel wurde eine Variante der Pufferzone diskutiert, nach der Assads Truppen in einem rund 30 Kilometer breiten Gebietsstreifen entlang der türkischen Südgrenze die Kontrolle übernehmen. (mit dpa)

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