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Finanzminister Olaf Scholz (SPD) leitet das Treffen mit seinen EU-Amtskollegen.

© AFP

Treffen der EU-Finanzminister: „Sweetheart Deals“ in der Kritik

Die EU-Finanzminister wollen in Berlin auch über Steuerdumping in der EU sprechen. Der deutsche EU-Vorsitz möchte gegen Deals für Großkonzerne vorgehen.

Die EU-Finanzminister werden bei ihrem informellen Treffen in Berlin am Freitag und Samstag erörtern, wie schädigende Steuerpraktiken innerhalb der EU bekämpft werden können. Dies geht aus den Vorbereitungsunterlagen des deutschen EU-Vorsitzes hervor, die EurActiv.com einsehen konnte.

Das Thema Steuern steht ohnehin ganz oben auf der Agenda der deutschen Ratspräsidentschaft für dieses Halbjahr. Die Bemühungen um die Einführung einer Digitalsteuer und einer Mindestkörperschaftssteuer auf globaler Ebene werden demnach auch an diesem Samstag Teil der Diskussionen mit den EU-Partnern sein.

Tatsächlich fällige Steuern tendieren gegen Null

Die Bundesregierung will aber auch gegen das Steuerdumping innerhalb der EU vorgehen. In der Kritik stehen vor allem sogenannte „Sweetheart Deals“, in denen einige Regierungen multinationalen Konzernen Steuererleichterungen anbieten, mit denen die tatsächlich fälligen Steuern letztendlich gegen Null tendieren.

Um diese Praktiken zu bekämpfen, sollen die EU-Finanzministerien eine Reform der Gruppe „Verhaltenskodex“ diskutieren, die zur Bekämpfung des unlauteren Steuerwettbewerbs innerhalb und außerhalb der EU eingerichtet worden war. Die Ministerinnen und Minister werden prüfen, welche Elemente der seit 1997 unveränderten Aufgabenbeschreibung dieser Gruppe reformiert werden sollten. „Das Mandat der Gruppe sollte insbesondere die inzwischen eingetretenen sowie auch die zukünftig denkbaren Entwicklungen im internationalen Steuerrecht widerspiegeln,“ heißt es im Vorbereitungspapier des deutschen Ratsvorsitzes, das an die Finanzministerien in den EU-Mitgliedstaaten verschickt wurde. „Diese Änderungen des Mandats sind notwendig, um sicherzustellen, dass die Gruppe weiterhin einen konstruktiven Beitrag zu einer gerechten und effektiven Besteuerung leisten kann“, heißt es in dem Papier weiter.

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Das scheint auch bitter nötig: Laut einem Bericht der Hilfsorganisation Oxfam könnten Zypern, Irland, Luxemburg, Malta und die Niederlande als „Steuerparadiese“ eingestuft werden, wenn die EU-Kriterien für ausländische Jurisdiktionen auch auf die EU-Mitgliedsstaaten angewandt würden. Allein im Jahr 2015 gingen Frankreich, Spanien, Italien und Deutschland geschätzte 35 Milliarden Euro aufgrund von Steuervermeidungspraktiken internationaler Konzerne durch die Lappen.

[Erschienen bei EurActiv. Das europapolitische Onlinemagazin EurActiv und der Tagesspiegel kooperieren miteinander. Übersetzung: Tim Steins. Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Tim Steins.]

Ein weiteres Thema, das im Rat der EU-Finanzminister besprochen werden soll, ist die Ausgestaltung neuer Steuern und Abgaben zur Finanzierung des 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds, mit dem die Corona-Krise überwunden werden soll. Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD), der im Rat den Vorsitz innehat, will für diesen Freitag einen Meinungsaustausch über die Prioritäten der einzelnen EU-Staaten mit Blick auf die Vorschläge der Kommission für eine CO2-Grenzsteuer, eine Digitalabgabe oder ein überarbeitetes Emissionshandelssystem ansetzen.

Diskussion um weitere Eigenmittel für EU

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union hatten bei ihrem Marathongipfel im Juli beschlossen, dass zum 1. Januar 2021 eine EU-Plastiksteuer eingeführt werden soll. Die in Berlin versammelten Kassenwarten sollen sich nun auch zu der Frage äußern, ob weitere neue europäische EU-Steuern zur Finanzierung des Wiederaufbaufonds eingeführt werden sollen.

„Die Verknüpfung von EU-Politiken mit Einnahmen für die EU könnte ein neuer Weg bei der Durchsetzung gemeinsamer Politiken sein und gleichzeitig Einnahmen schaffen, die als echte ‚Eigenmittel‘ für die EU bezeichnet werden können“, heißt es im Dokument der deutschen Ratspräsidentschaft.

Jorge Valero

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