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Im Verschwörungswahn. Radikalisierte Impfgegner vergleichen die Demokratie der Bundesrepublik mit einer Diktatur. Hier sind es Demonstranten in Potsdam.

© Andreas Klaer

Trauriger Rekord bei extremistischen Straftaten: Staat und Zivilgesellschaft müssen gemeinsam den Fanatikern entgegentreten

Die hohe Zahl politisch motivierter Straftaten erschreckt. Die innere Sicherheit ist in Gefahr, zu erodieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Jansen

Die Zahlen sind ein Albtraum. Mehr als 55.000 Straftaten haben politische Fanatiker im vergangenen Jahr in Deutschland verübt. Mehr als 1400 Menschen wurden verletzt, fünf starben. Das kommt nicht plötzlich, die Fallzahlen steigen schon lange und haben sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Die innere Sicherheit der Republik befindet sich offenkundig in einem langen Prozess der Erosion. Diese hat sich in der Pandemie durch den zuvor kaum vorstellbaren Hass von Verschwörungstheoretikern und Impfgegnern noch beschleunigt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat vollkommen recht, wenn sie das Land auffordert, „wir müssen unsere Demokratie mit aller Kraft schützen“. Offenbar geschieht zu wenig.

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Die bisherigen Rezepte von Regierungen und Sicherheitsbehörden können nur verhindern, dass Angriffe von Extremisten nicht noch stärker eskalieren. Immerhin. Doch viele Hoffnungen haben sich nicht bestätigt. Faesers Vorgänger Horst Seehofer verbot reihenweise rechtsextreme und islamistische Vereine. So berechtigt die Schläge waren, eine nachhaltige Wirkung blieb aus. Und in der Pandemie zeigte sich erneut, was schon in der so genannten Flüchtlingskrise zu beobachten war: In der Bevölkerung ist weit mehr Radikalisierungspotenzial vorhanden, als Politik und Behörden vermutet hatten. Polizisten berichten konsterniert, dass sie bei den Aufläufen von Coronaleugnern und Impfgegnern sogar von älteren Damen mit dem Regenschirm attackiert werden.

Hoffentlich funktioniert Faesers Aktionsplan

Innenministerin Faeser versucht nun, mit einem Aktionsplan gegen Rechtsextremismus zumindest die am gefährlichsten scheinende Szene einzudämmen und finanziell auszutrocknen. Es ist zu hoffen, dass Faesers Vorhaben funktioniert. Reichen wird es im Kampf gegen die fortschreitende Radikalisierung in Teilen der Bevölkerung nicht. Staat und Zivilgesellschaft müssten sich in einem Pakt gegen Extremismus und für mehr Menschlichkeit zusammentun. Mit aller Kraft die Demokratie zu schützen, bedeutet auch, dass nicht jeder für sich kämpft. Dazu gehört, dass Behörden und zivilgesellschaftliche Initiativen gemeinsam überlegen, wie Opfer von Anschlägen besser versorgt und vor weiteren Attacken geschützt werden können. Der Verband der Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt hat jetzt Empfehlungen formuliert. Eine lautet, ein Gesetz für ein humanitäres Bleiberecht für Betroffene rassistischer Gewalt ohne festen Aufenthaltsstatus auf den Weg zu bringen. Eine solidarische Idee. Sie zu realisieren wäre ein Zeichen für den Zusammenhalt von Demokratinnen und Demokraten. Ob sie in Regierungen tätig sind, in Behörden – oder in regierungskritischen Initiativen.

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