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Ein gerührter Friedrich Merz nach seiner Wahl

© Michael Kappeler/dpa

Traumergebnis für den neuen CDU-Vorsitzenden: Die CDU setzt alles auf Friedrich Merz

Er hat drei Jahre lang um das Amt gekämpft. Als er sein Wahlergebnis sieht, verliert Friedrich Merz kurz die Fassung. Doch es ist auch eine Bürde.

Von Robert Birnbaum

Friedrich Merz schüttelt den Kopf, einmal, zweimal: Nicht zu fassen.

Digitale Parteitage haben ja immer etwas Distanziertes, aber wenigstens sind dafür die Hauptdarsteller groß im Kamerabild. Der Mann, der die CDU aus dem Niedergang führen soll, erfährt sein Wahlergebnis im Nebenraum.

Als Merz dann nach ein paar Schritten beim Rednerpult im Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses ankommt, blinkt es verdächtig in seinen Augen.

Eine Acht vorne hatte er sich gewünscht für den Start in den Parteivorsitz. Genau 94,62 Prozent hat er bekommen.

„Ich bin tief bewegt und beeindruckt von diesem Wahlergebnis“, sagt Merz. Er war seit Lebtag lang felsenfest davon überzeugt, dass er der Richtige ist. Aber wenn das praktisch ein ganzer Parteitag beim Wort nimmt, ist es doch noch mal etwas anderes. Seine Stimme klingt belegt. Es wird jetzt ernst.

Ansonsten geht es auf diesem Parteitag eher entspannt zu. Armin Laschet zum Beispiel erinnert zwar an die schmerzhafte Niederlage, für die er noch einmal die Verantwortung übernimmt: „Es ist eine offene Wunde, und es wird eine Narbe bleiben.“ Aber er verbreitet zugleich rheinischen Optimismus: „Zieht euch warm an, die CDU kommt wieder!“

Merz überreicht ihm zum Abschied ein Tablet mit vorinstallierten Apps – vom „New York Times“ und „Guardian“-Abo auf Lebenszeit bis zu Radio Vatikan.

Paul Ziemiak wirkt noch viel entspannter. Als scheidender Parteigeneral plädiert er noch einmal für die Frauenquote.

Die wird wieder nicht verabschiedet, weil man digital die Satzung nicht ändern darf; außerdem ist Merz kein Fan. Ziemiak wirbt: „Ich hoffe, dass dieser Weg weiter gegangen wird.“

Danach dankt er als Sitzungsleiter weiter am laufenden Band verdienten Parteifreunden. Hinter der inflationären Dankbarkeit steckt freilich gleich wieder der Ernst. Viele gehen, weil es nicht mehr so weiter gehen konnte wie bisher.

Annette Widmann-Mauz, Vorsitzende der Frauen-Union der CDU
Annette Widmann-Mauz, Vorsitzende der Frauen-Union der CDU

© imago images/photothek

Einige gehen gegen ihren Willen. Annette Widmann-Mauz fällt bei den Wahlen zum Parteipräsidium durch. Bei acht Bewerbern für sieben Plätze musste sowieso jemand weichen. Doch die Chefin der Frauen-Union erreicht nicht einmal die theoretisch nötige Mehrheit.

Widmann-Mauz steht wie kaum eine andere für den Angela-Merkel-Flügel. Dass Merz erst jetzt Parteichef wird, war auch ihr Werk. Bei den Wahlen zum erweiterten Vorstand fallen später allerdings keineswegs nur Bewerber des liberalen Flügels durch wie etwa der Arbeitnehmerflüge-Vize Dennis Radke. Das mit Abstand schlechteste Ergebnis fällt hier auf die Erzkonservative Sylvia Panthel. Auch Ex-Bildungsministerin Anja Karliczek scheitert.

Jens Spahn bleibt vom Absturz verschont. „Ich habe viel gelernt“, versichert der Ex-Minister. Es reicht allerdings nur zum schwächsten Ergebnis unter den Präsidiumsmitgliedern.

Dagegen sticht das Votum für Merz umso deutlicher heraus. Auch sein neuer Generalsekretär Mario Czaja bekommt einen großen Vertrauensvorschuss – fast 93 Prozent für den Berliner.

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Er verspricht, die Partei zur „Ideenschmiede“ zu machen und sich weder mit seiner designierten Stellvertreterin Christina Stumpp noch mit Carsten Linnemann zu streiten. Der Ex-Chef des Wirtschaftsflügels soll ein neues Grundsatzprogramm verantworten.

Das ist eigentlich Generalsekretärsjob, aber Czaja versichert, sie hätten die Aufgabenteilung besprochen. Wahrscheinlich geht es sogar gut. Linnemann ist nicht so der Bulldozer-Typ.

Die sind gerade ohnehin nicht gefragt. Am deutlichsten lässt sich das an Markus Söder abzulesen.

Der CSU-Chef wird aus Nürnberg zugeschaltet und schnurrt wie ein bayerischer Plüschlöwe. Laschet hatte an seine unselige Rolle als Zwischenrufer im Wahlkampf erinnert, Merz noch einmal versichert, so etwas wie 2021 dürfe „und wird“ sich zwischen CDU und CSU nicht wiederholen.

Söder räumt nicht nur ein, dass „Fehler gemacht“ und wechselseitig Verletzungen zugefügt wurden. Er zeigt sogar Reue: „Es tut uns leid, und es tut mir leid.“

Zwei Vorsitzende: Markus Söder (CSU) und Friedrich Merz (CDU)
Zwei Vorsitzende: Markus Söder (CSU) und Friedrich Merz (CDU)

© Michael Kappeler/dpa

Die CSU biete ab jetzt, „wenn es gewünscht ist“, eine gute Zusammenarbeit an. Merz war neulich schon bei ihm in Bayern. Er schlägt natürlich ein.

Dass der Bayer auch lange hinter den Kulissen gegen den Sauerländer Stimmung gemacht hat – teils, weil er ihn wirklich für den Falschen hielt, teils, weil er in ihm den härteren Gegner erkannte – vergessen beide jetzt lieber.

Zumal nach Merz’ Ergebnis. „So was hätte ich gern mal gehabt“, schmeichelt Söder. „Das ist schon ein dickes Pfund.“

Das stimmt, doch es ist zugleich das Maß für die Herausforderung, vor der Merz jetzt steht. Er dämpft vorsichtshalber die Erwartungen: Bis zurück an die Regierung könne es „ein weiter Weg“ werden.

Die Erinnerung tut not, denn es steckt ein riesiger Berg Hoffnungen in diesen fast 95 Prozent, auch verzweifelte Hoffnungen bei denen, die den 66-Jährigen mehr aus Disziplin gewählt haben als aus Überzeugung.

Merz bemüht sich um die Skeptiker. Er braucht jetzt auch sie. Zusammenarbeit verspricht er in seiner Bewerbungsrede und breite Aufstellung von sozialer Gerechtigkeit bis zur Frage: „Wie stellen wir uns eigentlich soziale Marktwirtschaft in Zeiten des Klimawandels vor?“

Konservativ definiert er mit dem Historiker Andreas Rödder als ein Denken, das „vor Dogmatismus und Unbedingtheit schützt“.

Widmann-Mauz bekommt den tröstenden Hinweis, als Chefin der Frauen-Union sei sie ja weiter Mitglied im Vorstand.

Nur einen Namen umschifft er.

Laschet hat Angela Merkel gedankt, Ziemiak hat eine spätere Ehrung in größerem Rahmen angekündigt, Söder dankt für „16 Jahre großartige Regierungsarbeit für unser Land“.

Merz widmet der Frau, die seine Einladung zu einem Versöhnungsessen im schützenden Kreis der übrigen Altvorsitzenden ablehnte, eine kleine, gallige Nebenbemerkung. „Wir machen keine demoskopiegetriebene Politik.“ Die Altkanzlerin und der neue CDU-Vorsitzende – daraus wird in diesem Leben einfach kein politisches Paar mehr.

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