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Der RBB hat eine Recherche-Taskforce zusammengestellt, um einen RBB-Skandal aufzuklären.

© Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa

Transparenz im öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Der RBB braucht keine Schlesinger-Taskforce, sondern eine Auskunftspflicht

Die Luxus-Aufklärung mit eigenen Reportern und teuren Anwälten täuscht darüber hinweg, dass die Rundfunkanstalten zu wenig von sich preisgeben. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Der RBB hat ein Investigativteam zusammengestellt, der Sender nennt es „Recherche-Taskforce“, um den tiefen Fall seiner zurückgetretenen Intendantin auszuleuchten.

Die Einheit serviert bereits erste News, so die Übernahme strafrechtlicher Ermittlungen durch die Generalstaatsanwaltschaft und Details zu den Abendessen mit Gästen in der Privatwohnung von Patricia Schlesinger, die diese selbst als dienstliche „Hintergrundgespräche“ mit wichtigen „Multiplikatoren“ verstanden wissen will.

Die journalistische Darstellung ist ein würziger Mix aus saftig und pikant, garniert mit betont respektfreien Überschriften wie „Zu Gast bei Patricia“. Klar, es darf nichts nach Verteidigung aussehen. Da wirkt die Angreiferpose im Boulevardstil – ja, wie? Glaubwürdig?

Bedingt. Sie kann es auch schlecht. Die offenkundige Verschwendung öffentlicher Mittel in der Rundfunkanstalt wird nun paradoxerweise von Journalistinnen und Journalisten ebendieses Hauses aufgeklärt, die ebenfalls aus diesen Mitteln bezahlt werden und die sonst anderes, gewiss nicht minder Bedeutsames aufklären könnten.

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Hinzu gesellt sich ein Investigativteam einer extern beauftragten Anwaltskanzlei, das ebenfalls der Beitragszahler finanziert. Und um Anfragen von Journalistinnen und Journalisten außerhalb des RBB mit dem Hinweis auf „schwebende Verfahren“ ins Leere laufen zu lassen – was den Schlesinger-RBB-News eine gewisse Exklusivität versprechen könnte –, hat der RBB einen bundesweit bekannten Medienrechtler mandatiert.

Gibt es dort kein Justiziariat? Der Sender, scheint es, arbeitet sein Versagen mit einer Großzügigkeit auf, die an den Umbau der Chefinnenetage erinnert.

Für Außenstehende lohnt es sich dennoch, diese Verrenkungen in den Blick zu nehmen. Sie haben ihre Ursache in der Konstruktion der Rundfunkhäuser als öffentlich-rechtliche Anstalten, die, wie es das Bundesverfassungsgericht formuliert hat, einerseits Subjekte der mittelbaren Staatsverwaltung sind, aber zugleich staatsfern sein sollen und als Träger der Rundfunkfreiheit ihrerseits Auskunftsansprüche gegen den Staat und seine Behörden haben – ebenjenen Auskunftsanspruch, den sonst nur Vertreterinnen und Vertreter der privat organisierten und gewerblich finanzierten Medien geltend machen können.

Die wirksamste Kontrolle fehlt: Öffentlichkeit durch Druck der Medien

Was daraus folgt, ist – statt eines hierarchischen Überbaus – ein mit der Politik verflochtenes Kontrolleursdickicht aus Räten und Rechnungshöfen, das Durchblick zur Expertensache macht. Was dagegen fehlt, ist die klassisch wirksamste Kontrolle: durch Öffentlichkeit, namentlich durch Medien, durch Presse, durch investigativen Journalismus. Durch bohrende Fragen und die rechtliche Pflicht, sie wahrheitsgemäß und vollständig beantworten zu müssen.

Denn obwohl sie zu fast hundert Prozent öffentliches Geld verwenden – und hoffentlich nur selten verschwenden –, sehen sich die Öffentlich-Rechtlichen in Sachen Transparenz im Wesentlichen als Berechtigte, nicht als Verpflichtete.

Sie berufen sich dafür auf einen 34 Jahre alten Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts, in dem mal festgestellt wurde, dass sich der aus dem Grundrecht der Pressefreiheit abgeleitete Auskunftsanspruch nicht gegen Rundfunkanstalten richten könne.

Begründung: Sonst könnten private Medien den Anspruch dazu missbrauchen, ihren öffentlich-rechtlichen Wettbewerbern zu schaden.

Alles zur Affäre um die Ex-RBB-Chefin Schlesinger:

Man wird diese Sichtweise wenn nicht als überholt, dann als überholungsbedürftig kennzeichnen dürfen: Mit den Informationsfreiheitsgesetzen in Bund und Ländern, mit Entfaltung des verfassungsunmittelbaren Presse-Auskunftsanspruchs durch das Bundesverwaltungsgericht sowie mit der schlichten Tatsache, dass Digitalisierung neue Formen von Transparenz und Information erlaubt, gerät die medienrechtliche Sonderstellung der Rundfunkanstalten wieder stärker in die Diskussion.

Zudem sind sie eines sicher nicht: ein gleichberechtigter Wettbewerber. Dank Gebührengeld stehen sie nicht im Wettbewerb, sondern senden außer Konkurrenz. Die Anstalten haben diese Schieflage selbst erkannt, weshalb sie seit einigen Jahren ursprünglich Geheimgehaltenes offenlegen, vom Geld fürs Personal bis zu den Kosten ihrer Produktionen.

Whistleblower sind selten

Der Fall Schlesinger zeigt nun, dass dies nicht reicht, nie gereicht hat. Bürgerinnen und Bürger sollten umfassend wissen dürfen, was mit ihrem Geld angestellt wird, ob es Steuern sind oder Rundfunkbeiträge, ob eine Behörde die Mittel verwaltet oder eine Anstalt öffentlichen Rechts.

Die Grenze ist dort erreicht, wo Informationsbegehren die journalistischen Freiräume der Anstaltsredaktionen erreichen. Diese Zone ist tabu. Bonuszahlungen für die Spitzenleute, Massagesitze von Intendanten, Um- oder Neubauten der Sender oder Speisefolgen bei „Hintergrundgesprächen“ – das sollte in der jeweiligen Pressestelle abfragbar und, falls die Auskunft grundlos verweigert wird, auch einklagbar sein.

Denn Informanten, Whistleblower, wie es jetzt wohl mindestens einen im RBB gegeben haben muss, sind selten auf dem nach wie vor starken öffentlich-rechtlichen Ast, an dem eigentlich niemand sägt, der auf ihm sitzt. Beispielhaft dafür steht das Schreiben des RBB-Redaktionsausschusses, in dem dieser schon vor vier Jahren Schlesingers teure Bauarbeiten kritisierte; es hätte schon damals in die öffentliche Diskussion gehört.

Die RBB-„Taskforce“ könnte recherchieren, warum damals der Mut dafür fehlte. Das wäre eine Nachricht, die interessiert. Alles andere zum Fall Schlesinger könnte, müsste, sollte der RBB sowieso auf den Tisch legen. Und zwar schnell.

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