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Barack Obama (l.) und Hillary Clinton (r.) verfolgten 2011 die Ergreifung bin Ladens am Bildschirm im Weißen Haus.

© Pete Souza/dpa

Tötung Osama bin Ladens: US-Journalist bezichtigt Obama-Regierung der Lüge

Fast genau zehn Jahre nach dem Anschlag auf das World Trade Center töteten die Amerikaner Al-Qaida-Chef bin Laden in Pakistan. Die pakistanischen Sicherheitskräfte seien nicht eingeweiht gewesen, sagte die US-Regierung. Nun behauptet der Journalist Seymour Hersh, dies sei gelogen.

Für die meisten Amerikaner ist die Tötung des langjährigen Al- Qaida-Chefs Osama bin Laden am 2. Mai 2011 ein stolzer Moment im Kampf gegen den Terror. Für Präsident Barack Obama war sie ein Erfolg, der seine sinkenden Zustimmungsraten abrupt von 45 auf 52 Prozent schnellen ließ.

Nun behauptet der preisgekrönte US- Journalist Seymour Hersh, die Darstellung des Weißen Hauses über die Abläufe sei voller Lügen. Nach der offiziellen Version war bin Laden in einer Geheimoperation, Codename „Neptune Spear“, in Pakistan aufgespürt worden – ohne Wissen der Pakistanis, weil man ihnen misstraute. Er habe sich seit Jahren in einem mit Mauern abgeschirmten Wohnhaus am Rande der Garnisonsstadt Abbottabad versteckt. Angehörige der Spezialkräfte Navy Seals kamen nachts mit geräuscharmen Hubschraubern, die den Radarschirm unterflogen und durch ihre Bauweise vor Ortung geschützt sind.

Falsch, behauptet Hersh in einem langen Artikel in der „London Review of Books“. Pakistans Armeechef General Ashfaq Parvez Kayani und der Chef des Geheimdiensts ISI, General Ahmed Shuja Pasha, seien eingeweiht gewesen und hätten veranlasst, dass die Hubschrauber unbehelligt nach Abbottabad und mit bin Laden aus Pakistan hinausfliegen können. Der Al-Qaida-Anführer habe seit 2006 als Gefangener des ISI in dem Gebäude gelebt. Pakistan habe das lange verheimlicht, um bin Laden eines Tages als Trumpf in Verhandlungen mit den USA benutzen zu können.

Die CIA habe das Geheimnis durch Verrat eines pakistanischen Geheimdienstmitarbeiters erfahren, der dafür den Großteil der 25 Millionen Dollar Belohnung erhielt – und nicht, wie offiziell behauptet, indem die CIA die Nachrichtenkuriere beschattete, die interne Al- Qaida-Informationen von und an bin Laden überbrachten. Korrekt an der Version des Weißen Hauses sei, dass Obama den Befehl zu der Operation gab und die Navy Seals sie ausführten.

Seymour Hersh ist eine Legende. 1969 hat der heute 78-Jährige die Ermordung von mehr als 350 Zivilisten durch US-Soldaten im My-Lai-Massaker während des Vietnamkriegs und die Vertuschungsversuche des Militärs aufgedeckt. Dafür erhielt er 1970 den Pulitzer-Preis. 2004 enthüllte er den menschenverachtenden Umgang amerikanischer Bewacher mit irakischen Gefangenen im Bagdader Gefängnis Abu Ghraib und wurde mit dem George-Orwell-Preis ausgezeichnet. Über Jahrzehnte galt: Wenn Sy, so Hershs Spitzname, einen seiner umfangreichen Investigativberichte publizierte – meist in der Zeitschrift „The New Yorker“ –, schauen Politik und Medien in den USA ganz genau hin; sehr oft war es explosiver Stoff.

Aber gilt das heute noch? Seit Jahren wird kritisiert, dass Hersh sich fast nur noch auf anonyme Quellen berufe. 2013 lehnten die „New York Times“ und die „Washington Post“ ein Manuskript ab, in dem Hersh behauptete, das Weiße Hause habe die Beweise für den syrischen Giftgaseinsatz manipuliert. Auch die aktuelle Bin-Laden-Geschichte beruht laut Hersh auf einer anonymen Quelle, die er als „pensionierten leitenden Geheimdienstmitarbeiter“ der USA beschreibt.

Das Weiße Haus und die Chefs der an der Operation beteiligten Einheiten weisen Hershs Darstellung zurück. „Das ergibt keinen Sinn.“ Seine Quelle sei offenbar „nicht nahe an den tatsächlichen Abläufen dran“ gewesen. US-Medien berichten mit Skepsis über Hershs Vorwürfe.

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