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Politik: Tödliche Jahreszeit

Niemand weiß, wieviele Menschen genau in Afghanistan auf der Flucht und ohne Nahrung sind. Hilfs- und Flüchtlingsorganisationen jedoch schätzen, dass 300 000 Afghanen akut vom Hungertod bedroht sind und rund sieben Millionen mit Nahrungshilfe unterstützt werden müssen.

Niemand weiß, wieviele Menschen genau in Afghanistan auf der Flucht und ohne Nahrung sind. Hilfs- und Flüchtlingsorganisationen jedoch schätzen, dass 300 000 Afghanen akut vom Hungertod bedroht sind und rund sieben Millionen mit Nahrungshilfe unterstützt werden müssen. Sie appellieren immer dringlicher, wieder sicher in das Land einreisen zu dürfen. Aber wenn Taliban und Bombardements durch Amerikaner das nicht bald zulassen, sehen viele den Wettlauf mit dem nahenden Winter verloren.

Zum Thema Online Spezial: Terror und die Folgen Themenschwerpunkte: Gegenschlag - Afghanistan - Bin Laden - Islam - Fahndung - Bio-Terrorismus Fotostrecke: Bilder des US-Gegenschlags Im Gebiet der Nordallianz nahe der tadschikischen Grenze graben die aus dem Krisengebiet geflohenen Menschen Erdlöcher in die Berghänge, um sich vor der Kälte zu schützen. Die Angst zu erfrieren sei riesig, beschreibt Rupert Neudeck von der Hilfsorganisation "Cap Anamur" die Situation. Das Problem ist hier der Grenzfluss Pjandsch. Die altersschwache Fähre reiche zum Transport von Hilfsgütern nicht aus, der Bau einer Brücke, die Außenminister Joschka Fischer bei seinem Besuch in Tadschikistan versprochen hat, geht laut Neudeck bisher zu langsam voran, als dass bis Mitte November genügend Nahrung und Zelte nach Afghanistan gebracht werden können. Danach "ist es zu spät", sagt er. Dann sind die Bergpässe verschneit, und die Infrastruktur fehlt, um genügend Hilfsgüter ins Land zu bringen.

Wenn es zu einem Bodenkrieg kommen sollte, rechnet das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) außerdem mit bis zu einer Million neuer Flüchtlinge, die sich auf den Weg nach Pakistan machen. Seit dem 11. September trafen dort mindestens 60 000 Flüchtlinge ein, Mitarbeiter des UNHCR und von "Care International" gehen von weit mehr Afghanen aus, die über die grüne Grenze in das Land kamen. Seit einer Woche wächst die Zahl der Flüchtlinge - täglich kämen bis zu 5000, schätzt Stefan Telöken, Sprecher von UNHCR in Deutschland. Deshalb appelliert er an die pakistanische Regierung, die Grenze nach Afghanistan wieder zu öffnen. Das UNHCR habe Zelte für weitere 400 000 Menschen, sagt er. Rund 50 Millionen Dollar brauche man für deren Versorgung, bisher seien 31 Millionen eingegangen. "Care International" versuche, über Einheimische Lebensmittel nach Afghanistan zu schleusen, sagt Andrew Chadwick, Mitarbeiter der Organisation in Pakistan. Das sei auch deshalb schwierig, weil Überfälle in Afghanistan zum Alltag gehörten: "Da herrscht Anarchie."

Das Internationale Rote Kreuz konnte seit Mitte September vier Medikamententransporte von Pakistan nach Kabul schicken. "In dem Land fehlt es an allem", sagt Lübbo Roewer vom Deutschen Roten Kreuz. Vergleichen ließe sich das nur mit den Dürrekatastrophen in der Sahel-Zone. Für die Versorgung der Menschen fürchtet er weitere Probleme: Die Ernte für das kommende Jahr sei vernichtet, viele Afghanen flüchteten seit den Angriffen auf das Land. Die Hilfsorganisationen erreichen sie dort kaum.

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