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Todesstrafe: Keine Gnade für die Gegner der bestehenden Ordnung

Welche Argumente gibt es für die Todesstrafe? Zur Abschreckung und zum Machterhalt. Und warum haben sich viele Staaten von ihr abgewendet?

Warum gibt es überhaupt die Todesstrafe? Letztlich aus zwei Gründen. Einerseits, weil es über alle Epochen hinweg als richtig galt, besonders schwere Verbrechen, vor allem Mord, mit dem Tod zu bestrafen. Was als schweres Verbrechen galt, das wandelte sich mit den Zeiten – noch im 18. Jahrhundert fielen darunter auch Taten, die heute eher als gering eingestuft würden. Und für Mordtaten gibt es heute noch in vielen Staaten eine breite Zustimmung für die Todesstrafe. Erst im 18. Jahrhundert kamen erste Zweifel auf, ob denn der Staat das Recht habe, die Tötung von Verbrechern vorzusehen. Aber auch damals war der aufgeklärte Philosoph Immanuel Kant der Meinung: „Hat er gemordet, so muss er sterben.“ Zum anderen haben politische Machthaber über Jahrhunderte hinweg die Todesstrafe genutzt, um Gegner ihrer in aller Regel autoritären Regime zu liquidieren oder die von ihnen aufgerichtete politische Ordnung zu stabilisieren – nicht immer mit dem gewünschten Effekt.

Ein besonders prominenter Fall ereignete sich vor knapp 2000 Jahren, in Jerusalem. Das Opfer hieß Jesus von Nazareth, verurteilt von dem römischen Statthalter Pontius Pilatus, die Strafe lautete auf Tod durch Kreuzigung, eine besonders hässliche Form der obrigkeitlich verordneten Tötung. Jesus hatte die bestehende Ordnung herausgefordert, die der jüdischen Eliten wie der römischen Besatzer. Es ging also bei dem Urteil darum, einen unliebsamen „Ruhestörer“ aus dem Weg zu schaffen.

Autoritäre oder halbautoritäre Staaten haben bis heute die Todesstrafe aus „Staatsräson“ in ihrem Machterhaltungsprogramm. In China etwa ist die Todesstrafe neben Mord (sowie Menschenhandel und Vergewaltigung) auch für Korruptionsvergehen vorgesehen, ein Versuch der politischen Führung, den Staatsapparat an der Kandare zu halten. Im Irak unter Saddam Hussein war die Beleidigung des Präsidenten ein Kapitalverbrechen. In mehreren islamischen Staaten wird die Abkehr vom rechten Glauben als todeswürdig betrachtet. Auch Ehebruch, männliche Homosexualität oder Zuhälterei können in manchen islamischen Staaten mit der Todesstrafe geahndet werden, weil man darin eine Bedrohung der sittlichen und sozialen Ordnung sieht und damit auch der politischen. Auch Spione, die für die andere Seite arbeiteten, mussten unter autoritären Regimen im 20. Jahrhundert häufig damit rechnen, von ihrem Staat umgebracht zu werden – ob mit oder ohne formelles Urteil. Die letzte Hinrichtung in der DDR traf einen Stasimann (Tod durch Genickschuss).

In früheren Zeiten waren die Herrschenden, wenn sie ihre Machtposition bedroht sahen oder die Ordnung im Zerfall wähnten, noch rücksichtsloser. Selbst kleine Diebe endeten in früheren Jahrhunderten schnell am Galgen. In modernen Diktaturen hat man Vergehen erfunden, die willkürlich staatlichen Mord erleichterten. In der Sowjetunion wurden in den 30er Jahren Hunderttausende wegen „konterrevolutionärer Verbrechen“ umgebracht, im nationalsozialistischen Deutschland wurde mit der Zeit für 46 Tatbestände die Todesstrafe eingeführt, wobei schon der „Schutz der Volksgemeinschaft“ als Begründung genügte (der Begriff „Reinigungstodesstrafe“ wurde dafür erfunden). Ab 1944 reichte der Verweis auf das „gesunde Volksempfinden“ als Grund für die Todesstrafe für jegliche Tat.

Die Hauptbegründung für die Todesstrafe war zu allen Zeiten vor allem die Abschreckung. Deshalb wurden Hinrichtungen bis weit ins 19. Jahrhundert hinein auch öffentlich veranstaltet. Ob der Schrecken freilich immer so groß war, ist unsicher, denn bisweilen muteten die Aufläufe unter den Galgen oder Scheiterhaufen wie Volksfeste an. Abschreckung war wohl auch der Grund, dass immer wieder besonders abscheuliche Arten erfunden wurden, Verurteilte ins Jenseits zu befördern. In der frühen Neuzeit galt es schon als Gnade, wenn ein Todeskandidat schon vor der Vierteilung getötet wurde. Bis heute werden Exekutionen noch öffentlich vollzogen, wie bis vor Kurzem in China, oder zumindest vor einer Gruppe von Zeugen wie in den USA. Dass harte Strafen, vor allem aber die Aussicht auf den eigenen Tod, Menschen von schweren Verbrechen abschrecken, ist ein bis heute verbreiteter Glaube. Und Abschreckung mag in Einzelfällen sogar eine gewisse Wirkung haben. Aber sie verhindert Kapitalverbrechen nicht per se. Auch der Terror diktatorischer Regime, zu denen das Töten von Gegnern gehört, hat Widerstand und Auflehnung noch selten völlig unterbinden können. Heute ist die Todesstrafe international geächtet. Die große Mehrheit der UN-Mitglieder hat seit 1989 eine Konvention unterzeichnet, die sie zur Abschaffung der Todesstrafe verpflichtet.

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