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Thüringens AfD-Chef Björn Höcke

© Christoph Soeder/dpa

Update

Thüringen: AfD schmettert Parteiausschluss von Björn Höcke ab

Der AfD-Bundesvorstand hatte den Parteiausschluss von Björn Höcke noch unter der damaligen Chefin Frauke Petry beantragt. Jetzt lehnte das Schiedsgericht in Thüringen ihn ab.

Von Matthias Meisner

Thüringens AfD-Landesvorsitzender Björn Höcke wird vorerst nicht aus der Partei ausgeschlossen. Das Landesschiedsgericht der Partei lehnte den Antrag des AfD-Bundesvorstands, den zum rechtsnationalen Flügel gehörenden Höcke wegen dessen Dresdner Hetzrede im Januar 2017 die Mitgliedschaft zu entziehen, als unbegründet ab, wie Parteisprecher Torben Braga am Mittwoch in Erfurt mitteilte. Die Äußerungen hätten keine "Wesensverwandtschaft Höckes mit dem Nationalsozialismus" erkennen lassen und auch nicht gegen die Satzung oder die Grundsätze der Partei verstoßen, sagte Braga.

Wie die Bundespartei auf die Entscheidung aus Thüringen reagiert, blieb zunächst offen. Anfragen dazu blieben unbeantwortet. Dass sich in der neuen Parteispitze eine Mehrheit dafür findet, den Fall noch vor das Bundesschiedsgericht zu tragen, gilt nach Angaben aus Parteikreisen als eher unwahrscheinlich. Auch ob sich der Bundesvorstand in seiner nächsten Sitzung am 22. Juni überhaupt mit dieser Frage befassen wird, steht noch nicht fest. Die Nachrichtenagentur dpa zitierte Bundesvorstandsmitglied Steffen Königer mit den Worten: "Wenn ich an Höckes Stelle wäre, würde ich mir den Freispruch erster Klasse vom Bundesschiedsgericht holen."

Der AfD-Bundesvorstand hatte das Ausschlussverfahren im Februar vergangenen Jahres unter Federführung der damaligen Parteivorsitzenden Frauke Petry beschlossen. Unmittelbarer Anlass war seine Rede vor Parteifreunden und Anhängern in Dresden, zu der er gemeinsam mit dem neurechten Publizisten Götz Kubitschek gereist war.

fMir können gar nicht genug braune Gesellen in der Partei bleiben. Damit allen nicht ganz Verblendeten klar wird, dass man teils vernünftige Anliegen [...] auf keinen Fall mit der AFD erreicht, sondern dass dafür andere Wege beschritten werden müssen.

schreibt NutzerIn vennikel

Höcke hatte in Dresden in Anspielung auf das Holocaustmahnmal in Berlin von einem "Denkmal der Schande" gesprochen. Zudem hatte er die "dämliche Bewältigungspolitik" in Deutschland kritisiert und eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad" gefordert.

Hat Höcke unter Pseudonym die NPD gelobt?

Im Parteiausschlussverfahren hatte es zudem geheißen, Höcke habe in NPD-Publikationen unter dem Pseudonym "Landolf Ladig" Artikel verfasst. In diesen Artikeln lobte "Landolf Ladig" die rechtsextreme NPD nicht nur für ihre politischen Ideen. Er verherrlichte auch das NS-Regime.

Als Beleg für Höckes angebliches Pseudonym verwies der Antrag unter anderem auf die Analysen des Soziologen Andreas Kemper, der Ende 2014 begonnen hatte, Höckes Reden und Texte zu analysieren. Er fand in Äußerungen des AfD-Politikers Höcke ungewöhnliche Begriffe wie "organische Marktwirtschaft", die zuvor im NPD-Magazin "Eichsfeld-Stimme" von "Landolf Ladig" benutzt wurden. "Ladig" und Höcke hätten vielfach "fast identische Formulierungen" verwendet, schrieb Kemper.

Kemper sagte dem Tagesspiegel in einer Reaktion auf das Urteil: "Es müsste jetzt geklärt werden, ob das Landesschiedsgericht Thüringen in dem ungewöhnlich langen Untersuchungszeitraum überhaupt den zentralen Punkt der naheliegenden Höcke-Ladig-Identität untersucht hat. Um eine Wesensverwandtschaft von Höckes Ansichten mit der NS-Ideologie feststellen zu können, wären die zwei Jahre vor Höckes Eintritt in die AfD natürlich extrem relevant." Wenn das Landesschiedsgericht, dem eine Höcke-Freundlichkeit unterstellt werde, die Geschichte mit "Ladig" nicht angefasst habe, wäre dies ein weiterer Beleg für Identität des AfD-Politikers mit "Landolf Ladig".

Petry: Legitimierung der von Höcke gewollten Radikalopposition

Die frühere AfD-Chefin Frauke Petry sagte, sie sehe sich in ihrer Entscheidung bestätigt, die AfD "aus guten Gründen" verlassen zu haben. Das Urteil des Landesschiedsgerichts legitimiere die von Höcke gewollte Radikalopposition: "Den wenig Verbliebenen, die sich als Gemäßigte sehen, muss ab jetzt klar werden: Nicht mehr sie dulden die Radikalen in der AfD. Sondern genau umgekehrt." Wer sich gegen Höckes Position stelle, werde künftig keine Mehrheiten mehr finden.

Thüringens AfD-Chef begrüßt die Entscheidung

Der Landesvorsitzende der Thüringer AfD, Stefan Möller, begrüßte die Entscheidung des Landesschiedsgerichts. Bereits vor mehr als einem Jahr habe der Landesvorstand auf die mangelnden Erfolgsaussichten des Ausschlussverfahrens gegen Höcke verwiesen und die Entscheidung des damaligen Bundesvorstands als "allein machtpolitisch motiviert" kritisiert. Höcke habe weder gegen die Satzung noch gegen die Grundsätze oder Ordnung der Partei verstoßen. Das Landesschiedsgericht der AfD Thüringen habe es sich "viel Zeit für dieses brisante Verfahren gelassen" und "den Sachverhalt ausführlich aufgearbeitet."

Möller forderte den Bundesvorstand auf, "dieses Urteil als Schlussstrich" zu akzeptieren. Der "nach Ende der ,Petry-Ära' beschrittene Weg eines kooperativen Miteinanders aller Strömungen unserer Partei" müsse weiter fortgesetzt werden, verlangte er.

Höcke ist seit 2014 auch AfD-Fraktionschef im Thüringer Landtag. Er treibt die Radikalisierung der AfD seit Jahren voran. Schon vor der Gründung der Partei hatte der damalige hessische Gymnasiallehrer 2010 an einem Aufmarsch von Neonazis in Dresden teilgenommen. Höcke ist auch einer der wichtigsten Organisatoren des traditionellen Kyffhäusertreffens, bei dem sich die parteirechte und nationalistische AfD-Gruppierung "Der Flügel" versammelt. Es soll in diesem Jahr im sachsen-anhaltischen Burgenlandkreis stattfinden.

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