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Einst ausgezeichnet: 2013 verlieh der Radebeuler Oberbürgermeister Bert Wendsche (parteilos, rechts) den Kunstpreis der Stadt an den Autor Jörg Bernig.

© André Wirsig/dpa

Update

Testballon für CDU-AfD-Kooperation in Sachsen?: „Entsetzen in Radebeul und deutschlandweit“

Radebeuls Oberbürgermeister legte sein Veto gegen die Wahl des neurechten Autors Jörg Bernig zum Kulturamtsleiter ein. Aber die Stadt kommt nicht zur Ruhe.

Von Matthias Meisner

Bert Wendsche, parteiloser Oberbürgermeister von Radebeul, hatte die Notbremse gezogen. Am Montagabend legte er sein Veto ein gegen die Wahl des neurechten Autors Jörg Bernig zum Kulturamtsleiter seiner Stadt, in die er zunächst eingewilligt hatte.

Wendsche begründete das mit „deutlich spürbarer Polarisierung“ und „Nachteiligkeit für die Stadt“. Die Wahl Bernigs mit Stimmen von AfD und CDU hatte heftige Reaktionen ausgelöst, sogar die deutsche Sektion des Schriftstellerverbandes PEN protestierte.

Zur Ruhe gekommen ist die Nachbarstadt von Dresden mit dem Widerspruch des CDU-nahen Stadtoberhaupts Wendsche gegen die Bernig-Wahl nicht. Nach wie vor gärt es in der Kulturszene und der Stadtgesellschaft, die sich in den vergangenen Tagen in vielen deutlichen Worten gegen Bernig positioniert hatte. Die Kritiker sehen einen Testballon für eine Zusammenarbeit von CDU und AfD, die Sachsens CDU-Landeschef und Ministerpräsidenten Michael Kretschmer doch eigentlich kategorisch ausschließt. Sie schrieben deshalb einen Offenen Brief an den Parteichef - nicht der erste, der in der Angelegenheit verfasst wurde.

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In einem Begleitschreiben an den Generalsekretär der Landes-CDU, Alexander Dierks, heißt es, der Brief solle „baldmöglichst“ an Kretschmer übergeben werden, der sich in der Causa bisher nicht öffentlich geäußert hatte. Dierks ist in der Angelegenheit quasi als Krisenmanager der Landes-CDU unterwegs. Es gehe nicht nur um die Personalie Bernig, „viel bedenklicher“ seien die Rolle der CDU und des Oberbürgermeisters, heißt es in dem Brief in Anspielung auf die schwarz-blaue Kooperation, die es in der Stadt nicht zum ersten Mal gab.

Sachsen-CDU: Keine Zusammenarbeit mit AfD

CDU-Landesgeneralsekretär Dierks sagte dem „Sachsenspiegel“ des MDR-Fernsehens: „Wir haben als CDU eine völlig klare Position. Es gibt keine Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD. Es ist jetzt an der Sache der kommunalpolitisch Verantwortlichen in der Stadt Radebeul, sich mit dieser Personalie binnen der nächsten Wochen noch einmal auseinanderzusetzen.“

Unterzeichner des Schreibens an Kretschmer sind der Jazz-Schlagzeuger Günter „Baby“ Sommer, der Schauspieler Friedrich Wilhelm Junge sowie die Regisseure Manfred Weiß und Dieter Kirst, daneben eine ganze Reihe anderer in der Stadt angesehene Persönlichkeiten - von der Lehrerin über den Arzt und den Pfarrer bis zur Restauratorin.

„Will CDU auf Kurs der Neuen Rechten umschwenken?“

Sie alle erinnern an die Parteibeschlüsse gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD und fragen die CDU: „Will sie kulturpolitisch auf den ausgrenzenden, nationalistischen und ausländerfeindlichen Kurs der AfD beziehungsweise der Neuen Rechten umschwenken?“

Die CDU Radebeul habe „einen Kandidaten für das Kulturamt ins Spiel gebracht, welcher der Gedankenwelt und den politischen Zielen der AfD voll entspricht“. Das Entsetzen darüber sei „in Radebeul und deutschlandweit zu spüren“.

Mit Bernig als „gemeinsamem Kandidaten von CDU und AfD“ hätten Oberbürgermeister Wendsche und die CDU-Stadtratsfraktion unter Leitung des CDU-Stadtvorsitzenden Ulrich Reusch „die Verlässlichkeit und die Glaubwürdigkeit“ der CDU insgesamt beschädigt, heißt es in dem Brief weiter. Auch Kretschmers Reputation selbst hat aus Sicht der Unterzeichner Schaden genommen, weil er die Kooperation zwischen CDU und AfD nicht verhindert hat.

Vorgeschlagen werden nun Gespräche unter dem Motto „Miteinander Reden in Radebeul“, die Pfarrerin der Friedenskirche will dem Vernehmen nach die Tür dafür öffnen.

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Ob es dazu kommt? Bisher stehen sich beide Seiten sehr unversöhnlich gegenüber. Martin Oehmichen, grüner Stadtrat, sagte dem MDR zur Wahl des neurechten Kulturamtsleiters: „Es ist eingefädelt worden von CDU und AfD. Sie wollen ihren Testballon starten. Sie wollen sehen, wie weit kann man als Schwarz-Blau in Radebeul und in Sachsen gehen.“

Welche Rolle spielte die „Werte-Union“?

Sachsens SPD-Chef und Vizeministerpräsident Martin Dulig hatte von einem gezielt von der „Werte-Union“ gesteuerten Schulterschluss gesprochen, mit dem die klare Position von Kretschmer zur AfD unterlaufen werde. Der rechte CDU-Zirkel „Werte-Union“ ist im Landkreis Meißen gut verankert, der stellvertretende Landesvorsitzende Sven Eppinger sitzt für die CDU Stadtrat in Radebeul.

Die „Werte-Union“ widersprach Dulig am späten Mittwochabend: Es habe im Zusammenhang mit der Wahl von Bernig keine Zusammenarbeit mit „Fraktionen konkurrierender Parteien“ gegeben, die CDU-Fraktion habe auch nicht einheitlich abgestimmt. Die Entscheidung für den ultrarechten Kandidaten verteidigte der Verband: „Es ist aus demokratischer Sicht mehr als bedenklich, wenn eine kleine aber lautstarke Minderheit, der das Ergebnis einer demokratischen Wahl nicht zusagt, den Oberbürgermeister massiv derart beeinflusst, dass dieser sich gezwungen fühlt, sein Veto gegen die demokratisch erfolgte Wahl einzulegen.“

AfD voll des Lobes über Bernig

Auch die AfD ist voll des Lobes über Bernig: „Ein exzellenter Mann“, heißt es aus der Partei, „ein kritischer Geist“, der „kluge, durchdachte Worte“ wähle. Der Landtagsabgeordnete Thomas Kirste sagt: „Wenn nun aber diese in formeller Hinsicht makellose Wahl rückgängig gemacht wird, so siegt der linke Zeitgeist über unsere demokratische Kultur.“

Die rechtskonservative Bloggerin und frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld schreibt: „Ausgerechnet in Radebeul, wo vor 31 Jahren die Bürger für freie Wahlen auf die Straße gegangen sind und sich der Gefahr ausgesetzt haben, dafür ihren Job zu verlieren oder von der Volkspolizei zusammengeschlagen zu werden, wird nun nach Merkel-Art eine freie und geheime Wahl rückgängig gemacht.“

Texte in Kubitscheks „Sezession“

Bernig publiziert unter anderem in der Zeitschrift „Sezession“ von Götz Kubitschek, dessen rechtsradikale Denkfabrik Institut für Staatspolitik (IfS) im sachsen-anhaltischen Schnellroda inzwischen vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft wird. Der Lyriker ist scharfer Kritiker der Flüchtlingspolitik von Angela Merkel, die er als „nach Deutschland gelenkte Massenmigration“ und „massenhaftes Hereinwinken“ bezeichnete. Er selbst lässt Presseanfragen zur Auseinandersetzung um seine Person unbeantwortet.

Der Beschluss über die Wahl des neuen Kulturamtsleiters muss dem Radebeuler Stadtrat binnen vier Wochen noch einmal zur Entscheidung vorgelegt werden. Gegen Bernig wieder antreten will eine Kulturfunktionärin aus Annaberg-Buchholz im Erzgebirge. Sie war im ersten Anlauf von der Radebeuler Stadtverwaltung favorisiert worden, unterlag dann aber bei der Abstimmung in der nichtöffentlichen Sitzung des Stadtrats am Mittwoch vergangener Woche.

Alternative wäre: Der Posten wird neu ausgeschrieben - und ein dritter Kandidat gesucht. Einige Stadträte wollen das, eine Mehrheit für diesen Weg gibt es bislang noch nicht.

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