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Der Angeklagte Justin S. auf der Anklagebank. Er hat bei seiner Aussage im Terrorprozess Mitte Marz alle sieben Mitangeklagten schwer belastet.

© Sebastian Kahnert/dpa

Terrorprozess gegen "Gruppe Freital": "Wir reden hier nicht über ein paar Böller"

Kati Lang, Vertreterin der Nebenklage im Freital-Verfahren, wirft den Ermittlern in Sachsen Fehler vor. Die rechte Motivation der Täter sei zum Teil ausgeblendet worden.

Von Matthias Meisner

Seit Anfang März wird vor dem Oberlandesgericht Dresden der mutmaßlich rechtsterroristischen „Gruppe Freital“ der Prozess gemacht. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse aus den ersten Verhandlungstagen?

Wir sind schon nach wenigen Tagen mit dem Prozess sehr weit fortgeschritten. Ein Angeklagter, Justin S., mit 19 der Jüngste, hat sich geständig eingelassen. Aus dessen Aussagen haben sich die Anklagevorwürfe im Wesentlichen bestätigt. Er hat darüber hinaus die Planung von weiteren Anschlägen eingeräumt.

Der Gruppe wird vorgeworfen, 2015 gemeinschaftliche mehrere Sprengstoffanschläge in Freital und Dresden unter anderem auf Flüchtlingsunterkünfte verübt zu haben sowie auch auf ein alternatives Wohnprojekt sowie ein Linken-Parteibüro. Die Bundesanwaltschaft legt den Angeklagten auch versuchten Mord, Beihilfe zum versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung zur Last.

Es gab jetzt auch schon die ersten Zeugenvernehmungen. Dabei hat sich auch gezeigt, dass massiv Sprengstoffe gelagert wurden, dass es sich um rechtsmotivierte Täter handelt, die mit einem ganz klar rassistischen Menschenbild dort ihre Taten vollbringen wollten. Positiv kann man sagen: Wir sind schon große Schritte vorangekommen.

Die Nebenklage kritisiert aber auch Ermittlungsfehler der Polizei. Worum geht es konkret?

Auffällig, ärgerlich und überhaupt nicht nachzuvollziehen ist, dass die Polizei in ihrer Ermittlungsarbeit wenig Wert auf die Ermittlung der Tathintergründe gelegt hat. So wurden bei Wohnungsdurchsuchungen Beweismittel in Form von Fahnen, von rassistischen Aufklebern…

… es gab ja sogar eine Hakenkreuzfahne…

Es ist eine Hakenkreuzfahne gefunden worden, eine Reichskriegsflagge. Aber all das wurde nicht als verfahrensrelevant eingestuft. Beweismittel wurden nicht beschlagnahmt. Die Einschätzung der Beamten war: Das ist nicht wesentlich für das Verfahren. Nun wissen wir gar nicht, was vielleicht noch in den Wohnungen war, was Rückschlüsse auf die Tatmotivation hätte geben können.

Justin S., Sie haben das angesprochen, hat sehr umfassend ausgesagt. Welches Motiv vermuten Sie für sein Geständnis?

Er ist geständig. Er hat Auskunft gegeben zu seinem Wissen über Tatabläufe, über Tatplanungen, über die Struktur der Gruppe, über Gedankengut. Warum er das tut, dazu hat er bisher wenig Auskunft gegeben. Er scheint tatsächlich als Jüngster der Gruppe sich auch lösen zu wollen, wenngleich er eben Täter im Sinne der Anklage ist.

Rechtsanwältin Kati Lang
Rechtsanwältin Kati Lang

© privat

Sieben Männer und eine Frau sitzen auf der Anklagebank. Aber ist das braune Netzwerk in Freital nicht viel größer?

Die Ermittlungen sind diesbezüglich nicht abgeschlossen. Es ist davon auszugehen, dass hier gegen weitere Mittäter und Unterstützer ermittelt wird und dass das eventuell nicht die letzten sind, die auf der Anklagebank sitzen.

Welche Verbindungen gibt es zur rechtsextremen „Oldschool Society“, jener Bande, die kürzlich vom Oberlandesgericht München verurteilt wurde?

Das wird sich im Verfahren vermutlich noch zeigen, ob es da Verbindungen gab.

Freital sieht sich durch den Prozess und den Begriff Rechtsterrorismus an den Pranger gestellt. Zu Unrecht, wie manche in der Stadtgesellschaft sagen. Die meinen, ein paar Böller, das sei doch kein Terrorismus. Wie sehen Sie das?

Wir reden hier nicht über ein paar Böller. Wir reden über Sprengstoffanschläge. Justin S. hat es in seiner Aussage ja zugegeben: Den Gruppenmitgliedern war bewusst, dass es um gefährliche, ja tödliche Sprengstoffanschläge geht. Wer das als harmlose Böller hinstellt, über dessen Weltbild braucht man nicht weiter diskutieren.

Was kann der Prozess mit der Stadt machen, die in Sachsen mit als erste wegen ihrer starken Anti-Asyl-Bewegung in den Fokus geraten ist?

Der Prozess zeigt vor allem denjenigen in der Stadt, die sich von Anfang an solidarisch mit Flüchtlingen gezeigt haben, dass hier gehandelt wird und dass es eine Strafverfolgung gibt. Und dass sie nicht diejenigen sind, die „das Nest beschmutzen“. Sondern, dass es sich um rechtsterroristische Taten handelt. Ich gehe nicht davon aus, dass das – obwohl das häufig so aus Freital zurückmeldet wird – eine Schmutzkampagne ist. Sondern der Staat nimmt die Strafverfolgung auf von Taten, die sich gegen Leib und Leben von Menschen gerichtet haben. Das ist doch nicht der Punkt, wo wir über Image diskutieren. Sondern wir diskutieren über den Erhalt von Demokratie, von Rechtsstaat, von Leib und Leben.

Ein Wort noch zum Freitaler Oberbürgermeister, Uwe Rumberg von der CDU. Der glaubt ja, die Probleme in Freital hätten erst 2015 so richtig begonnen mit dem Zuzug von Flüchtlingen in größerem Umfang.

Ich empfehle Herrn Rumberg einen Blick ins Grundgesetz, wo das Recht auf Asyl drinsteht, auch einen Blick in die Genfer Flüchtlingskonvention. Das Problem sind nicht diejenigen, die um Schutz suchen und um Schutz bitten. Sondern das Problem sind die, die Grundwerte unserer Gesellschaft nicht anerkennen wollen.

Kati Lang (37) ist Rechtsanwältin in Dresden. Sie ist Vertreterin der Nebenklage im Verfahren gegen die mutmaßlich rechtsterroristische "Gruppe Freital" vor dem Oberlandesgericht Dresden. Das Gespräch führte Matthias Meisner.

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