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Die Konzerthalle Bataclan wurde zum Symbol der Anschlagsserie in Paris.

© Thibault Camus/AP/dpa

Terroranschläge vom 13. November 2015 in Paris: Der aufwendigste Prozess der französischen Rechtsgeschichte startet

Der „Bataclan“-Prozess umfasst 1800 Nebenkläger und 300 Anwälte. Sechs Jahre nach den Terror-Anschlägen beginnt das Verfahren gegen die Verdächtigen.

Die Erinnerung an die schwersten Anschläge in der Geschichte ihres Landes verfolgt die Franzosen noch immer. Fast sechs Jahre ist es her, dass islamistische Terroristen in Paris ein Blutbad anrichteten. Bei den Attentaten des 13. November 2015 starben 130 Menschen. Der „Bataclan“-Prozess gegen die überlebenden Attentäter beginnt an diesem Mittwoch in Paris. Ein mutmaßlicher Haupttäter und 19 weitere Personen müssen sich verantworten. Der Präsident des Schwurgerichtes Jean-Louis Périès soll die Verhandlung am Mittag eröffnen.

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Gleich an mehreren Orten hatten die Terroristen damals zugeschlagen. In der Pariser Konzerthalle Bataclan feierten 1500 Menschen bei einem Konzert der amerikanischen Rockgruppe Eagles of Death Metal. Drei Terroristen eröffneten das Feuer. Dort starben 90 Menschen, die weiteren Opfer gab es an anderen Orten in Paris, rund 400 Menschen wurden verletzt. Mit einem Blumenmeer an der Place de la République gedachten die Franzosen der Opfer noch in der Todesnacht.

Es war der Abend eines Fußballspiels Frankreich gegen Deutschland, bei dem auch der damalige Präsident François Hollande anwesend war. Die Anschläge begannen mit der Tat von drei Selbstmordattentätern, die sich vor dem Stade de France in Saint-Denis nördlich von Paris in die Luft sprengten. Dann überfielen Terrorgruppen das Bataclan und mehrere Restaurants und Bars in dessen Nähe mit Kalaschnikows. Zu den Anschlägen bekannte sich die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS).

Elf der Angeklagten befinden sich in Frankreich in Untersuchungshaft, unter ihnen ist auch Salah Abdeslam. Drei weitere hält die französische Justiz unter Aufsicht, weil sie als Gefährder anzusehen sind. Gegen noch einmal sechs mutmaßliche Mittäter gibt es internationale Haftbefehle. Bei fünf dieser Gesuchten gehen die Ermittler davon aus, dass sie tot sind. Vor Gericht werden nun also 14 Personen erscheinen müssen.

Salah Abdeslam ist der einzige überlebende Attentäter

Salah Abdeslam, ein 31-jähriger Franzose mit marokkanischen Wurzeln, ist der einzige Überlebende der Terrorbande, bei den anderen handelt es sich um mutmaßliche Komplizen. Die genaue Rolle von Abdeslam, der vier Monate nach den Attentaten in Belgien gefasst wurde, ist noch sehr unklar. Er muss mit einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe rechnen.

13. November 2015: Notärzte versorgen Opfer der Anschlagsserie in Paris.
13. November 2015: Notärzte versorgen Opfer der Anschlagsserie in Paris.

© AFP

Der mutmaßliche Chef des Kommandos, der Belgier Abdelhamid Abaaoud, wurde einige Tage später von der Polizei getötet, als er sich mit einem Komplizen in einer Wohnung in Saint-Denis bei Paris versteckt hielt. Unter den Angeklagten sind auch Mohammed Amri und Hamza Attou, die verdächtigt werden, Abdeslam nach den Anschlägen nach Belgien gebracht zu haben, oder Yassine Atar, der verdächtigt wird, die Attacken koordiniert zu haben. Französische Geheimdienste gehen davon aus, dass die Attentate seit Ende 2014 vorbereitet worden waren.

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Der Prozess soll acht Monate dauern. Dafür wurde ein neuer Saal mit 550 Plätzen im alten Justizpalast im Zentrum der französischen Hauptstadt geschaffen, um genug Platz zu haben. Es wird der aufwendigste Prozess in der französischen Rechtsgeschichte. Es gibt 1765 Nebenkläger, rund 300 Anwälte und fast 150 akkreditierte Medien aus 58 Ländern. Im Saal haben längst nicht alle Platz, deshalb wird die Verhandlung in weitere übertragen. Die Anklageschrift umfasst 348 Seiten. In den ersten Tagen wird es um die ermittelten Indizien und Beweise gehen, es werden die Angeklagten und die Zivilkläger aufgerufen. In der kommenden Woche sind Experten und Sicherheitskräfte an der Reihe. Ab dem 28. September kommen die Augenzeugen zu Wort, vor allem aus dem Bataclan.

Urteil im „Bataclan“-Prozess wohl erst im Frühjahr 2022

Erst im November sollen die eigentlichen Befragungen der Angeklagten beginnen. Vom 2. bis 5. November geht es um die Persönlichkeiten der Angeklagten, erst Anfang Februar um die Vorbereitung der Attentate, Anfang März um die Rolle der verschiedenen Angeklagten. Im Laufe des Prozesses soll auch Ex-Präsident François Hollande, der damals das Fußballspiel schnell verlassen hatte, aussagen. Das wird für den 10. November erwartet. Das Urteil soll dann erst im Frühjahr 2022 verkündet werden, wurde mitgeteilt.

Prozess um Anschläge von 2015 in Paris: Sicherheitskräfte patrouillieren vor dem Justizpalast
Prozess um Anschläge von 2015 in Paris: Sicherheitskräfte patrouillieren vor dem Justizpalast

© dpa/AP/Francois Mori

Der Justizpalast an der Seine wird aus Sicherheitsgründen an den Gerichtstagen weiträumig abgesperrt sein. An den Eingängen wird es strenge Kontrollen geben. Hunderte von Polizisten und Gendarmen werden mobilisiert, um eine terroristische Gefahr während des Prozesses nach Möglichkeit abzuwenden.

In dem Verfahren geht es vor allem auch um die Aufarbeitung der Bluttat, es wird in Paris auch wie eine Therapie für die Traumatisierten der Terrornacht gesehen. Viele Überlebende leiden immer noch unter den Folgen des Horrors. Kevin, einer der Überlebenden des Bataclan, erklärte im Fernsehsender „France 3“, was er von den Verhandlungen vor Gericht erwartet: „Ich muss verstehen warum.“ Die Zeitung „Le Monde“ sieht die Bedeutung des Prozesses noch auf einer höheren Ebene: „Die Zeit der Justiz ist die Antwort der Demokratien auf die terroristische Gewalt.“

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