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Terror in Deutschland: Es ist nicht die Stunde der Hysterie

Polizeischutz für gefährdete Einrichtungen, Razzien gegen Islamisten: Auch Deutschland ist ein potenzielles Terrorziel. Es gilt, die Freiheit zu verteidigen - mit allen rechtsstaatlichen Mitteln einer offenen Gesellschaft. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Bewaffnete Bundespolizei am Berliner Hauptbahnhof, Razzien gegen gewaltbereite Salafisten, Polizeischutz vor Zeitungshäusern, Absage des "Pegida"-Aufmarschs in Dresden – die Bedrohung durch islamistische Gewalt verändert den Alltag. Nein, Berlin oder Dresden sind nicht Paris. Aber Deutschland ist auch keine Insel fern des Terrors, der Frankreich heimsucht – auch die Bundesrepublik ist ein potenzielles Angriffsziel.

Die Polizeipräsenz ist sichtbares Zeichen der Bedrohung, sie ist zugleich ein Signal an die Bevölkerung. Das meiste geschieht im Verborgenen, etwa im gemeinsamen Terrorabwehrzentrum in Berlin, wo Polizei und Nachrichtendienste alle Erkenntnisse bündeln. Dessen Existenz ist eine Folge der Anschläge vom 11. September 2001.

Absoluter Schutz? Eine Illusion

Das damalige Maßnahmenpaket des Bundesinnenministers Schily, "Otto-Katalog" genannt, sollte unter dem Terrorschock anfänglich tief in die Freiheitsrechte des Einzelnen eingreifen. Es ist gut, daran zu erinnern. Von der damaligen Stimmungslage ist die Bundesregierung heute weit entfernt. Auch die Menschen wissen, dass es in einer offenen Gesellschaft keinen absoluten Schutz, keine garantierte Sicherheit vor Anschlägen geben kann – oder nur um den Preis der Freiheit.

Diese zu verteidigen, notfalls unter Polizeischutz, gilt für die Veröffentlichung von islamkritischen Karikaturen wie für die "Pegida"-Demo in Dresden. Nur konkrete Hinweise auf einen Anschlag rechtfertigen deswegen das Versammlungsverbot in Dresden – auch wenn Islamisten es als Erfolg ihrer Drohung sehen werden und die "Pegida"-Anhänger als Beleg für die beklagte Islamisierung.

Moment der Selbstvergewisserung

Angesichts der Bedrohung erleben wir in Deutschland zwar Wachsamkeit, es ist aber nicht die Stunde der Hysterie. Es ist vielmehr ein Moment der Selbstvergewisserung – über unsere Werte und unsere Instrumente, diese zu sichern. Zehn Tage nach den Anschlägen von Paris hat diese Debatte erst richtig begonnen. Wir brauchen keine weitere Verschärfung des Strafrechts; aber richtig ist, dass die Bundesregierung sowohl Verdächtigen den Personalausweis entziehen als auch die Terrorfinanzierung unter Strafe stellen will. Dass die europäischen Innenminister den Fluggastdatenabgleich umsetzen wollen, hätte vor kurzem wohl noch massive Proteste hervorgerufen.

Auch die verfemte Vorratsdatenspeicherung wird neu bewertet, weil sie zwar keine Anschläge verhindern, aber die Aufklärung ermöglicht und damit weitere Gefährdungen verhindern kann. Mag Bundesjustizminister Heiko Maas auch dagegen sein, die Innenminister aller Bundesländer sind längst dafür, und der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel zeigt sich nun offen.

Eine wehrhafte Demokratie

Zur neuen Gelassenheit bei diesem Thema beigetragen hat ebenfalls, dass Millionen Deutsche freiwillig weit privatere Daten den sozialen Netzwerken überlassen, als bei der Vorratsdatenspeicherung gesammelt werden. Gewachsen ist zudem die Einsicht bei den Menschen, dass es hierzulande um die Sicherheit ohne die Informationen und Hinweise von befreundeten Geheimdiensten, etwa der NSA, schlechter stünde.

Mit innerer Sicherheit gebraucht die wehrhafte Demokratie jene Mittel, die unser Rechtsstaat bereithält. Was nützt, was hilft gegen Terrorattacken, wie viel Freiheit sind wir bereit, dafür aufzugeben – daran müssen sich neue Maßnahmen messen lassen. Dass sich eine demokratische Gesellschaft nicht beirren lässt in ihren Werten, die die Terroristen vernichten wollen, sondern zusammensteht in diesem Moment der Bedrohung, das ist dieser Tage die gute Nachricht.

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