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Der Kanzler vorneweg: Olaf Scholz und sein Kabinett.

© Michael Kappeler/dpa

Teambuilding der Ampel: Erste Kabinettsklausur der Bundesregierung wird zum Krisengipfel

Corona, Russland-Konflikt und die hohen Energiekosten – die Ampel hat mehrere Krisen zu bewältigen. Die Regierung will aufs Tempo drücken.

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Immerhin das Winterwetter verbreitete am Freitag den Hauch einer Ausflugsatmosphäre für die Ampelkoalitionäre als sie sich am Morgen im weiß bepuderten Kanzleramt einfanden. 44Tage nach Amtsantritt stand die erste Klausurtagung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) und seinen Ministerinnen und Ministern auf dem Programm. Frühere Bundesregierungen hatten ihre Auftaktklausuren im Schloss Meseberg abgehalten.

Der Barockbau im Landkreis Oberhavel rund 70 Kilometer nördlich von Berlin bot auch immer Gelegenheit für ein lockeres Zusammenkommen der Kabinettsmitglieder am Abend bei dem einen oder anderen Glas Wein. Doch wegen der Pandemie wurde diesmal auf den Ausflug nach Brandenburg verzichtet.

So ging es am Freitag im Kanzleramt deutlich geschäftsmäßiger und nüchterner zu, wo die Vorhaben für die nächsten Monate besprochen wurden. Statt Barocksaal traf man sich im Corona-sicheren internationalen Konferenzraum, wo an drei ringförmigen Tisch- und Sitzreihen auch reguläre Kabinettssitzungen abgehalten werden. Das Setting passt in gewisser Weise auch, denn die Regierung befindet sich im Krisenmodus.

Seine Regierung habe sich viel vorgenommen, kündigte Scholz zum Auftakt des Treffens an. Jeden Tag werde die Arbeit „auch von den aktuellen Herausforderungen bestimmt“, meinte der Kanzler und verwies auf die Pandemie und den Konflikt mit Russland. Er sprach von „einer sehr schwierigen Situation für die Ukraine und die Frage der Sicherheit und des Friedens in Europa“. Nicht nur die Außenministerin, auch Scholz selbst ist im Konflikt mit Russland als Krisenmanager gefordert.

Zentrales Thema der Klausur war jedoch die Planung der diesjährigen deutschen G7-Präsidentschaft. „G7 ist das große Thema, das Deutschland in diesem Jahr auf der globalen Ebene zu bewegen hat“, sagte Scholz nach acht Stunden Klausur am frühen Abend. Die Koalitionäre haben sich vorgenommen, mit den anderen führenden Industriestaaten beim Klimaschutz zusammenzuarbeiten und dazu Klimapartnerschaften einzugehen. „Wir wollen erreichen, dass nicht jedes Land für sich alleine geht, sondern, dass sie sich zusammentun zu einem Klima-Club“, sagte Scholz.

Ihre Präsidentschaft wollen Scholz und seine Kabinettsmitglieder zudem für die weltweite Zusammenarbeit gegen die Pandemie sowie die Stärkung der internationalen Zusammenarbeit und der Demokratien weltweit nutzen. Höhepunkt der Präsidentschaft ist Ende Juni der G7-Gipfel auf Schloss Elmau in den bayerischen Alpen.

Als weiteren Schwerpunkt der Klausur hatten die Koalitionäre die Planungsbeschleunigung festgelegt. „Unser Land ist gefesselt“, konstatierte Finanzminister Christian Lindner (FDP) nach der Klausur. Man behindere sich „durch selbst gegebene Verfahren“. Stattdessen müsse es „um die Entfesselung von Wirtschaft“ gehen. Um die eigenen Klimaziele ansatzweise zu erreichen, müssen Genehmigungen etwa für neue Windräder künftig schneller erteilt werden. Aber auch beim Ausbau des Schienenverkehrs und der Genehmigung von Wohnungen wolle man eine Beschleunigung.

Für ein Familienfoto am Rand der Klausurtagung des Bundeskabinetts blieb Zeit.
Für ein Familienfoto am Rand der Klausurtagung des Bundeskabinetts blieb Zeit.

© Michael Kappeler/dpa

Schnell gehen soll es auch mit einem Herzensanliegen von Scholz, mit dem er im Wahlkampf offensiv geworben hatte: dem Mindestlohn. Ein Zeitplan aus dem Arbeitsministerium, der dem Tagesspiegel am Abend bestätigt wurde, sieht vor, dass der Mindestlohn schon zum 1. Oktober auf zwölf Euro steigen soll. Derzeit beträgt der Mindestlohn 9,82 Euro pro Stunde. Die Erhöhung die Kaufkraft der Deutschen und damit die Wirtschaft stärken. Auch wegen der rasant gestiegenen Energiekosten hatte die Ampel bei dem Thema aufs Tempo gedrückt.

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Auch die Folgen einer weiterer Eskalation mit Russland beschäftigen die Koalition. „Jede militärische Aggression gegen die Ukraine hätte einen hohen Preis“, sagte Scholz, ließ aber offen, ob er damit auch Sanktionen gegen Russland im Zusammenhang mit der Gaspipeline Nord Stream 2 meint. Wohl nicht zuletzt, weil die Angst umgeht, Putin könnte noch im Winter den Gashahn abdrehen. Angesichts der hohen Energiepreise will die Ampel offenbar eine schnelle Abschaffung des Strompreis-Aufschlags für die Erneuerbaren Energien (EEG-Umlage).

Nach der SPD sprachen sich am Freitag auch Vertreter von Grünen und FDP für ein Ende der Umlage noch in diesem Jahr aus. „Angesichts der steigenden Energiepreise brauchen private Haushalte und Unternehmen dringend eine spürbare Entlastung“, sagte FDP-Vize-Fraktionschef Lukas Köhler.

Habeck: "Eine Regierung ist sich prinzipiell immer einig"

Dass man schnell liefern muss, zeigen neueste Umfragen. Kaum im Amt, scheint die Zufriedenheit mit der Ampel schon nachzulassen. In einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts YouGov zeigten sich 45 Prozent der Befragten unzufrieden mit der Ampel, bei 37 Prozent überwiegt die Zufriedenheit. Mit Scholz sind 47 Prozent eher unzufrieden. Sorgen müssen sich die Koalitionäre aber wohl nicht. Vor einer Woche hatten die Demoskopen des „Politbarometers“ der Regierung noch hohe Zufriedenheitswerte attestiert.

Bei aller demonstrativen Einigkeit im Kanzleramt wurde jedoch auch Dissens spürbar. Eine Stellungnahme zu den Taxonomie-Plänen der EU, die Atom- und Gasstrom als nachhaltig labeln wollen, lag nach der Klausur noch nicht vor, musste aber bis Mitternacht nach Brüssel geschickt werden. Und auch bei Sanktionen um Nordstream II, wie sie die Grünen fordern, bemühten sich die Ampel-Akteure um Diplomatie. „Es ist eine Regierung“, sagte Vizekanzler Robert Habeck. „Und eine Regierung ist sich prinzipiell immer einig.“ Das Augenzwinkern verkniff sich der Grünen-Politiker nur halb.

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