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Präsident Milos Zeman ist schon seit längerer Zeit schwer krank.

© David W. Cerny, Reuters

Tschechien wendet Verfassungskrise ab: Ende eines Machtkampfes

Präsident Zeman liegt seit Wochen im Krankenhaus, die Zweifel an seiner Amtsfähigkeit wachsen. Doch jetzt ermöglicht er die Regierungsbildung.

Regierungsbildungen können sich in Tschechien über Monate hinziehen. Das war 2017/18 so, und es drohte auch nach der Parlamentswahl vor einigen Wochen. Fast zeitgleich mit der Verkündung des Wahlsieges eines Bündnisses aus fünf Mitte-Rechts-Parteien, dem Demokratischen Block, wurde Staatspräsident Milos Zeman ins Krankenhaus eingeliefert. Was ihm fehlt, wird als Staatsgeheimnis gehütet. Nur dass es sehr, sehr ernst sei, drang nach außen. Zemans Ärzte verordnen dem Präsidenten absolute Ruhe, also keine Staatsgeschäfte.

Doch damit entstand ein Problem, das sich zur Verfassungskrise auszuwachsen drohte. Der Präsident muss den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen. Aus seiner Abneigung gegen den Demokratischen Block hatte der keinen Hehl gemacht. So wurde spekuliert, Zeman versuche, die ihm sympathische Regierung des Multimilliardärs Andrej Babis so lange wie möglich im Amt zu halten. Kontroversen brachen sich Bahn. Sie gipfelten in der Frage, ob Zeman des Amtes enthoben werden könne oder sogar müsse.

Das brachte Bewegung in die Situation. Am Wochenende vereinbarten der designierte neue Regierungschef Petr Fiala und Zeman Gespräche. Einen Regierungsauftrag hat Fiala immer noch nicht, aber an diesem Montag soll bereits der Koalitionsvertrag unterschrieben werden.

Massen gingen gegen Babis auf die Straße

Sein Vorgänger Babis war 2017 in einer Protestwahl an die Macht gekommen, nun hatte sich der Protest gegen ihn gewandt. Schon bald hatte sich nämlich herausgestellt, dass der Oligarch mutmaßlich genauso gierig und korrupt wie seine Vorgänger war. Brüsseler Fördergelder sollen widerrechtlich in Babis-Firmen geflossen sein. Der Unmut der Tschechen wuchs 2019 zum Massenprotest. 300 000 Menschen gingen in Prag auf die Straße, die größten Demonstrationen seit der Samtenen Revolution 1989. Babis schien das nicht zu beeindrucken. Er forderte die Demonstranten auf, in Wahlen gegen ihn anzutreten.

Das brachte die Oppositionsparteien möglicherweise auf die entscheidende Idee . Sie schlossen sich nach langen kontroversen Diskussionen unabhängig von ihren politischen Programmen vor den Parlamentswahlen zusammen. Das einzige Ziel: Babis die Macht zu nehmen. Das ist gelungen. Mit einem nicht unbedeutenden Nebeneffekt: Die Sozialdemokraten und die Kommunisten, die Babis über die gesamte vergangene Legislaturperiode sicher an der Macht hielten, sitzen nicht mehr im Parlament; Babis hat verloren; und fraglich ist, ob der kranke Präsident Zeman seine Amtsgeschäfte wieder aufnehmen kann. „Was wir jetzt sehen, ist das Ende der Zeman-Babis-Ära“, schrieb der angesehene Publizist Jiri Pehe kürzlich.

Das ist vielleicht zu optimistisch. Nachdem der Demokratische Block den Wahlsieg errungen hat, werden die ideologischen Differenzen, widerstreitende Interessen und machtpolitischen Egoismen unweigerlich wieder stärker zum Tragen kommen.

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