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Feuer brennt im brasilianischen Nationalpark Chapada dos Veadeiros. Auch im Pantanal, dem weltgrößten Feuchtgebiet, brennt es.

© dpa/ Myke Sena

Tauender Permafrost, brennende Wälder: Das sind die weltweiten Hotspots der Klimakrise

Gezielte Waldbrände in Brasilien, 38 Grad Hitze in Sibiren, schwindende Eisschilde: Die Liste der Klimakatastrophen ist lang - und die verstärken sich.

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro eröffnete am Dienstag die UN-Vollversammlung. Doch den Klimawandel erwähnte er in seiner Rede mit keinem Wort, trug aber laut brasilianischen Fact-Checkern rund ein Dutzend Lügen und Halbwahrheiten vor. Besonders hervor stach seine Behauptung, dass die Feuer in der Amazonasregion, die seit Beginn seiner Amtszeit stark zugenommen haben, von Indigenen und Kleinbauern gelegt würden. Brasiliens Agribusiness würde hingegen Brasiliens Umweltgesetze befolgen.

Wissenschaftler haben das Gegenteil bewiesen: Die Feuer dienen in erster Linie dazu, die Flächen für Rinderweiden, den Sojaanbau auszudehnen. Dies scheint die Regierung sogar anzustreben. Umweltminister Ricardo Salles hat die Behörden, die gegen die Waldvernichtung kämpfen, extrem beschnitten und lässt Beamte bestrafen, die gegen illegale Holzfäller vorgehen.

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Wie dramatisch die Lage ist, belegt die Zahl der Brände im September: In den ersten 14 Tagen brannten bereits mehr Feuer als im gesamten Monat 2019. Auch die Entwaldung erreicht neue Rekorde. Die beschleunigte Zerstörung des Amazonaswaldes, die auch in Venezuela, Kolumbien, Ecuador, Peru und Bolivien stattfindet, ist eine der größten Gefahren für das Klima Südamerikas und der Erde. Nicht etwa, weil der Wald wichtig für die Produktion von Sauerstoff wäre, sondern, weil er ein riesiger CO2-Speicher ist. Und: Der Amazonaswald reguliert den Wasserhaushalt Südamerikas: Die Wolken, die sich über den Baumkronen durch ständige Verdunstung bilden, regnen teils Tausende Kilometer entfernt ab und versorgen weite Teile Südamerikas mit Wasser.

Der Wasserkreislauf im Amazonas ist in Gefahr

Wissenschaftler haben nun beobachtet, dass der Verlust des Waldes zum Rückgang der Wolkenbildung und damit zu vermehrter Trockenheit im Süden Brasiliens führt. Sollte sich dieser Trend verstärken, dürften die Folgen für die Landwirtschaft sowie die Wasserversorgung von Metropolen wie São Paulo katastrophal sein. Experten vermuten, dass die riesigen Feuer, die derzeit im größten Feuchtgebiet der Erde brennen, bereits ein erster Vorbote der Veränderung sind. Die Regenzeit zu Jahresanfang war außergewöhnlich schwach, auf sie folgten Monate der Trockenheit und großer Hitze.

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Während in einigen Regionen Trockenheit und Hitze steigen, werden anderswo sintflutartige Regenfälle und zerstörerische Stürme zunehmen. Insbesondere in der Karibik ist zu sehen, wie der Anstieg des Meeresspiegels ganze Inseln und weite Küstenabschnitte gefährdet. In den Anden schmelzen hingegen die Gletscher, was auch dort die Wasserversorgung gefährdet. Die größte Gefahr für Südamerikas Zukunft ist jedoch die Abholzung des Amazonaswaldes. Rund 20 Prozent seiner Fläche sind bereits zerstört. Sollten 25 Prozent erreicht werden, so eine Prognose, verliere der Amazonaswald die Fähigkeit, seinen Wasserkreislauf aufrecht zu erhalten. Er würde versteppen.

Auftauender Boden setzt in Sibirien auf weiten Flächen Gase frei, die der Permafrost gebunden hatte.
Auftauender Boden setzt in Sibirien auf weiten Flächen Gase frei, die der Permafrost gebunden hatte.

© imago images

Der Permafrost in Sibirien taut

Die russische Kleinstadt Werchojansk in der Tundra Sibiriens hat es unter Meteorologen zu einiger Berühmtheit gebracht. Werchojansk bezeichnet sich als kälteste Stadt der Erde. Hier in Jakutien, auf 67 Grad nördlicher Breite, gibt es seit 1869 eine Wetterstation. Im Februar 1892 waren dort Minus 67,8 Grad gemessen worden. Am 20. Juni 2020 wurde nun ein anderer Rekord registriert: 38 Grad Celsius – plus. Noch nie ist in dieser Region eine so hohe Temperatur gemessen worden. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres lagen die Temperaturen in Sibirien um rund fünf Grad über dem langjährigen Mittel. Das hielt eine Studie der Initiative „World Weather Attribution“ fest, an der auch der Deutsche Wetterdienst beteiligt war.

Allein im Juni seien 56 Megatonnen CO2 freigesetzt worden. Temperatur-Anomalien wie die von Werchojansk seien nur mit einem Klimawandel zu erklären, heißt es in der Studie. Ohne menschlichen Einfluss dürfte eine lange Periode mit mehr als fünf Grad höheren Temperaturen nur alle 80 000 Jahre auftreten. Inzwischen aber habe sich die Wahrscheinlichkeit solcher Wärmewellen um das 600-fache erhöht. Die steigenden Temperaturen lassen die Flüsse Sibiriens viel früher auftauen als in der Vergangenheit. Das Eis der nördlichen Meere zieht sich zeitlich länger und geografisch weiter von den Küsten zurück. Auftauender Boden setzt auf weiten Flächen Gase frei, die der Permafrost gebunden hatte. Der Temperaturanstieg beschleunigt sich weiter. In den höher gelegenen Gebieten brechen Waldbrände aus.

Russland investiert dennoch in die Rohstoffförderung

Die hat es in Sibirien immer gegeben, doch nie waren sie so verheerend wie heute. Präsident Wladimir Putin verhängte den Notstand über weite Regionen. In den vom Feuer verschonten Gebieten profitiert die sibirische Seidenmotte, sie frisst sich durch die Wälder. Bäume sterben ab, was wiederum die Waldbrandgefahr erhöht. Die Brände tragen zum Anstieg der Temperaturen bei. Ein Teufelskreis.

Den Warnungen vor den Risiken des Klimawandels im ökologisch sensiblen Norden zum Trotz hält Moskau an der industriellen Erschließung der Region für die Rohstoffförderung weiter fest. Vor einem Jahr brachte das Rohstoff-Ministerium ein Gesetz durch die Duma, das praktisch ohne Rücksicht auf den Klimawandel die Rechte der Öl- und Gasunternehmen in der Region erweitert. Im Januar wurden dann Steuererleichterungen von bis zu 200 Milliarden Euro für neue Projekte der Konzerne beschlossen. Das größte dieser Vorhaben stellte der staatliche Ölkonzern Rosneft im Frühjahr vor: Vostok Oil. 15 Städte sollen in der Region entstehen, dazu 800 Kilometer Pipelines und ein neuer Überseehafen.

Die Eisschilde schmelzen

Der antarktische Eisschild enthält mehr als die Hälfte des globalen Süßwassers. Sein Masseverlust durch das Abschmelzen ist irreversibel – das berichtete jüngst ein Forscherteam vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) im Fachmagazin „Nature“. Je wärmer es wird, umso schneller vollzieht sich das Abschmelzen und der Fluss von Gletschern ins Meer. Doch der Prozess ist nicht linear. Das Überschreiten gewisser Schwellenwerte bestimmt, wie sich die Eismassen verhalten und wie stark der Meeresspiegel dadurch ansteigt.

Bereits bei einer anhaltenden Erwärmung um zwei Grad Celsius würden abschmelzende und am Rand ins Meer abrutschende Eismassen den Meeresspiegel global um 2,5 Meter erhöhen. Bei vier Grad Erwärmung sind es 6,5 Meter, und bei sechs Grad fast 12 Meter, berechnete das Team. Der Eisverlust würde sich über viele Jahrhunderte erstrecken, aber die Simulationen zeigen, dass er nur umkehrbar wäre, wenn die globale Mitteltemperatur unter den vorindustriellen Wert fällt. Das ist nicht sehr wahrscheinlich.

Im Sommer 2020 ist in Grönland etwas weniger Eis geschwunden als im Vorjahr, aber immer noch deutlich mehr als im Durchschnitt der Jahre 1981 bis 2010, berichtete das National Snow and Ice Data Center der USA. Und 2019 war ein Rekordjahr: Über 500 Milliarden Tonnen Schmelzwasser flossen ins Meer, was einem weltweiten Meeresspiegelanstieg von 1,5 Millimetern entspreche, berechneten Forscher. Es zeichnet sich ab, dass sich Abschmelzen fortsetzen wird, was den Meeresspiegel auf lange Sicht um mehr als sieben Meter ansteigen lassen könnte.

Und das Meereis? Die Eisdecke des Nordpolarmeers schwimmt. Wie groß sie ist, wirkt sich nicht auf den Meeresspiegel aus. Aber das Eis schwindet auch hier. In diesem Sommer ist die Meereisdecke mit rund 3,8 Millionen Quadratkilometern auf ihre zweitkleinste Fläche seit 1979 geschrumpft. Die Folge: Die dunkle Meeresoberfläche nimmt mehr Sonnenwärme auf.

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