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Afghanistan

© dpa

Tanklaster: Guttenberg verteidigt Luftangriff nahe Kundus

Der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bezeichnet den Luftangriff auf zwei Tanklaster in Afghanistan als "angemessen". Bei dem Angriff starben bis zu 142 Menschen.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat den von einem deutschen Oberst angeordneten tödlichen Luftangriff auf zwei Tanklastwagen in Afghanistan als "angemessen" bezeichnet. Er habe nach dem Studium des Geheimberichts der Nato keinen Zweifel an der Einschätzung von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan, sagte Guttenberg am Freitag in Berlin. Der Vier-Sterne- General hatte vor einigen Tagen die Bombardierung der Tanklaster am 4. September nahe Kundus als militärisch angemessen dargestellt. Mit den möglichen strafrechtlichen Folgen dieses Angriffs wird sich jetzt die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe beschäftigen.     Bei dem von zwei US-Kampfjets ausgeführten Angriff waren dem Nato-Bericht zufolge bis zu 142 Menschen ums Leben gekommen. Angeordnet hatte die Bombardierung der Bundeswehr-Oberst und damalige Kommandeur Georg Klein. Er gehe davon aus, dass es auch zivile Opfer gegeben habe, sagte Guttenberg nach einer Unterrichtung der Fraktionsvizechefs im Bundestag. Jedes unbeteiligte, jedes zivile Opfer bedauere er "von Herzen und zutiefst". Der Minister räumte ein, dass der NATO-Bericht auch zu dem Schluss komme, dass es "Verfahrensfehler" und "in gewissen Bereichen Ausbildungsmängel" gegeben habe. Aber: "Selbst wenn es keine Verfahrensfehler gegeben hätte, hätte es zu dem Luftschlag kommen müssen", sagte er.

Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe wird sich mit möglichen strafrechtlichen Folgen des Kundus-Angriffs beschäftigen. Erstmalig muss die oberste Anklagebehörde damit nach dem Völkerstrafrecht einen Fall prüfen, in dem es um die Verantwortung deutscher Soldaten für die Tötung von Zivilisten in Afghanistan geht. Die Dresdner Generalstaatsanwaltschaft hatte am Freitag eine Zuständigkeit von Ermittlungen gegen den Bundeswehr-Offizier abgelehnt. Als erste Anklagebehörde in Deutschland sind die sächsischen Ermittler zu dem Schluss gekommen, dass es sich in Afghanistan um einen "bewaffneten Konflikt" handelt, der nicht nach "normalen" Strafrecht, sondern völkerstrafrechtlich zu beurteilen ist. Würde dem die Bundesanwaltschaft zustimmen, wäre dies eine neue Qualität in der Einschätzung der Situation in Afghanistan.    

Guttenberg sieht Kriegszustände in Afghanistan

Die Bundesanwaltschaft muss sich dem Schritt der Dresdner Generalstaatsanwaltschaft aber nicht beugen. Bisher habe sich aus Karlsruher Sicht kein Anhaltspunkt für eine Übernahme der Ermittlungen ergeben: "Nach vorläufiger Bewertung der Erkenntnisse aus allgemein zugänglichen Quellen ergeben sich bisher keine tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat deutscher Soldaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch." Die Einstufung der Lage in Afghanistan als "bewaffneter Konflikt" hätte weitreichende rechtliche Konsequenzen. Sie würde nicht nur zur Anwendung des Völkerstrafgesetzbuches führen, sondern auch der Regeln des humanitären Völkerrechts. Die Bundeswehr hatte die Anordnung des Luftangriffs damit gerechtfertigt, dass die Taliban mit den Tanklastwagen einen Anschlag auf das deutsche Lager in Kundus verüben könnten. Guttenberg hatte vor wenigen Tagen anders als sein Vorgänger Franz Josef Jung (CDU) den Afghanistan-Einsatz als "kriegsähnlich" bezeichnet. Guttenberg wiederholte jetzt seine Einschätzung, dass er in Teilen Afghanistans Kriegszustände sehe.   

Wie bekannt wurde, hat der deutsche Oberst mit seiner Anordnung nach Ansicht der Nato-Ermittler gegen Befehle und Dienstanweisungen verstoßen. Dies gehe aus dem Untersuchungsbericht hervor, sagten hochrangige Nato-Offiziere am Donnerstag in Brüssel. Vor allem hätte Klein nicht selbst die Bombardierung durch US-Kampfjets anordnen dürfen. Die Entscheidung zur Bombardierung hätte nur der Kommandeur der Afghanistan-Schutztruppe Isaf, US-General Stanley McChrystal, treffen dürfen. (dpa)

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