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Im Ressort von Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) wird an einer Novellierung der Regeln für Biokraftstoffe gearbeitet.

© John MacDougall/REUTERS

Tank oder Teller: Der Streit über den Einsatz von Biokraftstoffen belastet die Ampel

Umweltministerin Lemke möchte den Einsatz von Biokraftstoffen ab 2023 absenken. Aber Verkehrsminister Wissing will wegen des Klimaschutzes daran festhalten.

Tank oder Teller – diese Diskussion ist seit dem Beginn des Ukraine-Krieges in der Ampel-Koalition aufgeflammt. Konkret geht es um die Frage, in wie weit es angesichts der weltweiten Nahrungsmittelknappheit künftig noch möglich sein soll, Biokraftstoffe im Verkehr einzusetzen.

Während Umweltministerin Steffi Lemke und Agrarminister Cem Özdemir (beide Grüne) die Beimischung von Biodiesel und Bioethanol ab dem kommenden Jahr schrittweise herunterfahren wollen, hält Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) deren Einsatz aus Gründen des Klimaschutzes weiter für unverzichtbar.

Derzeit werde im Umweltministerium die Novellierung der Regeln für Biokraftstoffe aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen vorbereitet, erklärte ein Sprecher des Ressorts. Bereits im Mai hatte Lemke angekündigt, dass der Einsatz von Biosprit zurückgefahren werden soll. Laut den Plänen der Ministerin soll die Beimischung der Biokraftstoffe bei Diesel und Benzin bis 2030 ganz beendet werden.

Wie es aus Regierungskreisen hieß, sei die Klimaschutzwirkung von Biokraftstoffen aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen „stark anzuzweifeln“. Ein Vorschlag aus dem Umweltministerium zielt daher darauf ab, die zulässige Obergrenze zur Beimischung von Biosprit aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen bereits 2023 von 4,4 auf 2,5 Prozent zu senken. 2024 soll die Obergrenze den Plänen zufolge auf 2,3 Prozent sinken.

Allerdings ist der Einsatz von Biokraftstoffen derzeit nötig, um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen. Den Wegfall von Biodiesel und Ethanol will das Umweltministerium beim Klimaschutz unter anderem dadurch ausgleichen, dass die Förderung von Strom für E-Autos verbessert wird.

Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) teilt die Position von Umweltministerin Steffi Lemke.
Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) teilt die Position von Umweltministerin Steffi Lemke.

© Daniel Karmann/dpa

Auch Özdemir unterstützt die Pläne der Umweltministerin. „Lebensmittel gehören zuallererst auf den Teller, nicht in den Tank“, sagte eine Sprecherin des Agrarministeriums. Nach ihren Worten werden gegenwärtig etwa 14 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland für den Anbau von Energiepflanzen genutzt – das entspricht 2,3 Millionen Hektar. Davon entfallen etwa 1,5 Millionen Hektar auf die Biogaserzeugung und knapp 0,8 Millionen Hektar auf die Biokraftstoffproduktion.

In Deutschland sei die Versorgung mit Lebens- und Futtermitteln zwar weiterhin gesichert. Allerdings schmälere die Nutzung von Anbauflächen für Energiepflanzen „möglicherweise die Exportmöglichkeiten von Getreide und Nahrungsmitteln in Entwicklungsländer im Rahmen humanitärer Hilfen zur Hungerbekämpfung“, sagte die Sprecherin weiter.

Mehr zum Ukraine-Krieg bei Tagesspiegel Plus:

Gerade die Nahrungsmittelversorgung von Regionen wie dem Horn von Afrika, die von Hungersnöten betroffen sind, ist angesichts des Ukraine-Kriegs weiterhin nicht gesichert. Zwar hat Anfang dieser Woche unter Vermittlung der Vereinten Nationen ein erstes Schiff mit 26.000 Tonnen Mais den ukrainischen Hafen von Odessa verlassen.

Allerdings ist dies eine geringe Größenordnung im Vergleich zu dem, was so genannte Panamax-Frachtschiffe im Maximalfall transportieren können. Die Ladekapazität liegt hier bei bis zu 90.000 Tonnen.

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) will auf den Einsatz von Biokraftstoffen nicht verzichten.
Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) will auf den Einsatz von Biokraftstoffen nicht verzichten.

© Arne Dedert/dpa

Eine ganz andere Sicht der Dinge hat indes Volker Wissing (FDP).  Er ist als Verkehrsminister dafür zuständig, dass der Verkehrsbereich seine Klimaziele schafft. Der „Agrarzeitung“ sagte er jüngst, dass Biokraftstoffe eine „etablierte Klimaschutzoption im Verkehr“ seien. Wissing wies darauf hin, dass die im Straßenverkehr erzielten Einsparungen an Treibhausgasen derzeit vor allem auf den Einsatz von Biokraftstoffen zurückzuführen seien, darunter auch Kraftstoffe aus Anbaubiomasse. „Auf diese KIimaschutzoptionen können wir nicht einfach verzichten“, so Wissing.

SPD für Einsatz von Biokraftstoffen

Schützenhilfe erhielt der FDP-Minister im vergangenen Monat von der SPD. Deren Bundestagsfraktion veröffentlichte ein Positionspapier, in dem der Einsatz von Biodiesel und Bioethanol befürwortet wird. „Biokraftstoffe leisten einen wichtigen Beitrag zu mehr Klimaschutz im Verkehrssektor“, heißt es in dem Papier.

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Die SPD-Fraktion unterstützt demnach die Entwicklung fortschrittlicher Biokraftstoffe, um eine Flächenkonkurrenz mit der Lebensmittelproduktion zu vermeiden. Zudem solle die Anbaufläche zur Herstellung von Biokraftstoffen und Biogas nicht ausgeweitet werden.

Bei Biogas und Biokraftstoffen setzt die SPD-Fraktion auf den schnellen Einsatz von Reststoffen aus der landwirtschaftlichen Produktion, die nicht nur Lebensmittelproduktion geeignet sind.

Industrieverband: Ein Aus wäre „unverantwortlich“

„Ein Aus für Biokraftstoffe wäre aus klima- und energiepolitischer Sicht unverantwortlich“, sagte der Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB), Elmar Baumann, dem Tagesspiegel. So lange die Minderung des Treibhausgas-Ausstoßes im Straßenverkehr nicht im großen Stil über die Elektromobilität erreicht werden könne, spielten Biokraftstoffe eine entscheidende Rolle:  „Biokraftstoffe werden bis Ende des Jahrzehnts im Straßenverkehr den wichtigsten Beitrag zur CO2-Minderung leisten.“

Baumann wies zudem darauf hin, dass ein geringerer Einsatz von Biokraftstoffen die Abhängigkeit von Rohöl- und Dieselimporten vergrößern würde. „Da die Bundesregierung ohnehin versucht, Importe aus Russland zu reduzieren, wären Mineralölunternehmen gezwungen, noch größere Mengen bei den aktuell hohen Erdöl- und Kraftstoffpreisen anderswo auf dem Weltmarkt einzukaufen“, sagte er.

Zudem sei es aus agrarpolitischer Sicht sinnvoll, den Landwirten eine Nachfrage für Biokraftstoffe zu sichern, sagte der VDB-Geschäftsführer weiter. Er erinnerte daran, dass die Förderung von Biokraftstoffen in der EU begonnen wurde, um strukturbedingte Überschüsse in der Landwirtschaft sinnvoll zu verwenden, statt mit subventionierten Agrargütern Produzenten im globalen Süden Konkurrenz zu machen.

Durch die Produktion von Biodiesel in Deutschland gebe es einen Puffer, der es erlaube, Rapsöl zum Teil in die Nahrungsmittel-Produktion umzuleiten. Damit seien die fehlenden Mengen von Sonnenblumenöl aus der Ukraine ausgeglichen worden. „Dieser Mechanismus hat schon gegriffen“, sagte Baumann.

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