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Zeichen der Verbundenheit. Annalena Baerbock besucht eine Kirche im ukrainischen Butscha.

© REUTERS/Carlos Barria

Tandem der außenpolitischen Profis?: Baerbock und Steinmeier könnten eine Shuttle-Diplomatie beginnen

Auch Kriegszeiten erfordern Diplomatie auf höchster Ebene. Bundespräsident und Außenministerin hätten zusammen zumindest minimale Erfolgschancen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Alle reden vom Krieg, vom Atomkrieg sogar, dass der Gesellschaft schon ganz bang wird – aber wer redet von Diplomatie? Also vom Reden darüber, wie Frieden zu unseren Zeiten möglich wird, so schnell wie möglich? Höchste Zeit, alles dafür auszuloten.

Und wer, wenn nicht wir, die Deutschen, sind dazu aufgerufen. Aus unserer Geschichte mit der Ukraine, mit Russland und mit der Sowjetunion im Hintergrund, aber auch, weil über die Jahrzehnte ein Wissen um Entspannungspolitik, um Abrüstung, Rüstungskontrolle und friedliche Transformation gewachsen ist, das seinesgleichen sucht. Mit einem herausragenden diplomatischen Dienst und zeitweilig hervorragenden Ressortchefs.

Dass der 2+4-Prozess zur Vereinigung Deutschlands funktioniert hat – außenpolitisch eine meisterliche Idee und Leistung – hat nicht zuletzt mit dem damaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher zu tun.

Darum: Mehr Genscher wagen! Wie etwa aus der KSZE, der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die OSZE wurde, eine verstetigte Organisation, das ist ganz sicher auch dem liberalen Langzeitminister zu verdanken. Er musste oft und viele Vorbehalte überwinden.

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Aber Not macht erfinderisch, sagt man. Was im Hier und Heute daran erinnert: Es geht gerade in bedrängter Lage in Europa umso mehr darum, Formate zu finden oder vorhandene zu nutzen, in denen die sprechen, die sonst einander feindlich wortlos gegenüberstehen.

Keine Angst vorm Vorwurf der Naivität! Denn erstens: Denkbar ist alles, nur machbar nicht immer. Zweitens: Wer nicht versucht, der (und die) verliert von Vornherein eine Aussicht auf Erfolg. Der Diplomatie eine Gasse bahnen zu wollen, ist der Weg aus, ja, pathetisch gesprochen: dem Untergang.

Es geht nicht allein um Waffen

Das Atavistische, Barbarische darf nicht siegen. Von Mal zu Mal werden die Rückfälle in Vorzeiten wegen des technischen Fortschritts gefährlicher. Aber der Mensch ist doch ein vernunftbegabtes Wesen, oder?

Wollen wir hoffen. Deshalb: Es geht nicht allein um Waffen, sondern um Waffenstillstand. Was ist da an Ideen zu hören, aus der Bundesregierung, von der Außenministerin? Diese Frage zu stellen, heißt, sie zu beantworten.

Mehr zum Ukraine-Krieg auf Tagesspiegel Plus:

Annalena Baerbocks ureigene Aufgabe als Außenministerin ist nicht, immer noch mehr Militärgerät zu fordern. Damit kann sich die Verteidigungsministerin beschäftigen.

Es ist auch nicht Aufgabe der Außenministerin, sich darauf festzulegen, dass es keinen Geländegewinn für die Russen geben darf. Das sagen die Ukrainer sowieso. Sondern Moskau zu Signalen des Entgegenkommens zu bewegen.

Troubleshooter im Tandem

Wie kann eine Diplomatie mit zumindest minimaler Erfolgsaussicht aussehen? Eine Idee: Die beiden außenpolitischen Profis in Deutschland, der Bundespräsident als weltweit bekannter zweimaliger Außenminister und die gegenwärtige Außenministerin, könnten ein Troubleshooter-Tandem bilden, eine (natürlich) in der Regierung und international abgestimmte Shuttle-Diplomatie beginnen. Also Genscher wäre jetzt permanent in der Luft.

[Aktuelle Entwicklungen im Ukraine-Krieg können Sie hier in unserem Newsblog verfolgen.]

Denn Telefonate à deux sind das eine – direkte Gespräche das andere. Beides muss einander ergänzen, zusammenwirken. Steter Tropfen höhlt den härtesten Stein. Kann man hoffen.

Das „Normandie“-Format, (mit)erfunden von Frank-Walter Steinmeier, war so eines für Gespräche. Kann man vielleicht doch noch in dem arbeiten? Oder die OSZE einsetzen, um Russland zu locken, dass die gemeinsame Sicherheit vom Atlantik bis zum Ural in dem Rahmen breit diskutiert wird?

[Der Ukraine-Krieg und Berlin - immer wieder Thema in den bezirklichen Newslettern vom Tagesspiegel, kostenlos bestellen unter leute.tagesspiegel.de]

Oder soll man – der Lage angepasst – fortlaufend die Minimalforderungen in Kiew und Moskau abfragen und sie abgleichen mithilfe der Mitglieder des UN-Sicherheitsrats?

Oder, oder, oder: Hauptsache, die Debatte versiegt nicht. Anfachen könnte die auch ein Gesprächsformat beim Bundespräsidenten, im Schloss Bellevue, mit ihm als Moderator. Nicht als Bühne für Sühne, sondern weil Frieden mehr als eine Idee ist.

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