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Moderatorin Anne Will führt durch den Sonntagstalk im Ersten.

© ARD Das Erste/NDR/Wolfgang Borrs/obs

Talkrunde bei Anne Will: Intensivmediziner warnt vor Triage-Situation in ein, zwei Wochen

Michael Hallek appellierte bei Anne Will an die Politik, die Bewegungsfreiheit der Menschen einzuschränken. Peter Altmaier wich da lieber aus.

Es ist genau drei Wochen her, dass die Bundeskanzlerin die sonntägliche Sendung von Anne Will als Appell an die politische Klasse – deren Teil sie ja ist – nutzte, um konsequenteres Handeln gegen die Pandemie einzufordern. Sie werde nicht zwei Wochen tatenlos zusehen, drohte sie damals ins Ungefähre – und genau in diesem Ungefähren war man am Sonntag, den 18. April, um 21:45 Uhr wieder gelandet. Denn konkret ist seitdem nichts geschehen.

Ist das ein Skandal? Nein. Keiner der Beteiligten hat bewusst notwendige Maßnahmen hintertrieben. Nur hat jeder seine Bedenken geäußert, wortreich erklärt, was warum gerade nicht geht, und keiner, wirklich keiner hat verstanden, dass sich dieses Virus nicht an die Betriebsanleitung der komplizierten Gesetzgebungsmaschinerie der Bundesrepublik Deutschland hält, sondern brutal einfach das weiter macht, was seine Lebensbasis ist: sich möglichst schnell zu verbreiten, und das da, wo seine Wachstumsbedingungen optimal sind.

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Wenn möglichst viele Menschen auf engem Raum beieinander sind, am besten ganz nahe, wenn es laut und fröhlich zugeht und kein frischer Lufthauch das gedeihliche Wachstumsklima für den flotten Erreger stört.

Am Morgen wurden die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes in zwei bewegenden, herzzerreißenden Gedenkstunden in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und im Konzerthaus am Gendarmenmarkt noch einmal mit dem Leid konfrontiert, das Corona über uns gebracht hat.

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Am Abend, der Anne-Will-Sendung aus Köln zugeschaltet, sprach der Intensivmediziner Michael Hallek, über das, was heute ist und morgen sein wird, wenn die Politik nicht sehr schnell aus dem Diskussions- in den Handlungsmodus kommt: 5000 Corona-Patienten liegen in Deutschland im Moment auf Intensivstationen.

Vielleicht habe Deutschland noch eine, vielleicht noch zwei Wochen Zeit, bis eine Triage-Situation drohe, in der nicht mehr jeder behandelt werden könne. Die Bewegungsfreiheit der Menschen einschränken, sofort: Das war Halleks beschwörender Appell.

Und die Politiker bei Anne Will? Wirtschaftsminister Peter Altmaier erklärt wortreich, warum alles nicht schneller geht, und warum man die bislang weitgehend unberührte Wirtschaft nicht zu restriktiv angehen sollte.

Da war die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, nachvollziehbar fassungslos, weil sich am Morgen doch wegen der Präsenz in den Unternehmen die Menschen im ÖPNV drängeln. Dagegen sei abendliches Spazierengehen von Geimpften doch wohl eher nicht der entscheidende Punkt staatlicher Intervention.

[Mehr zum Thema: Jung, gesund und trotzdem geimpft - die legalen Tricks der Ungeduldigen]

Da fand sie sich mit Michael Müller, dem Regierenden Bürgermeister, einig. FDP-Chef Christian Lindner dozierte derweil klug und distanziert über die Gefahr von Eingriffen in die Grundrechte, als sei man in einem Oberseminar. Bodenhaftung bekam er hingegen sofort, als er beklagte, warum es mit dem Impfen so schleppend gehe – dafür brauche man doch wirklich keine Ausgangssperren.

Christian Lindner (FDP).
Christian Lindner (FDP).

© imago images/Jürgen Heinrich

Fazit des Abends: In der Corona-Krise hat Angela Merkel die Grenzen ihrer Macht erfahren. So eindringlich ihre Mahnungen vor einem zu leichtfertigen Umgang mit dem Virus waren; so gerechtfertigt sie gerade auch aus der Sicht der Wissenschaft, der Mediziner, der Virologen, der Seuchenspezialisten schienen: Die von der Bundeskanzlerin erwogenen Restriktionen scheiten an der Komplexität der Verhältnisse und am Unwillen von Bürgern, Ländern und Kommunen, sich einem als der jeweiligen örtlichen Situation nicht angemessenen Maßnahmenkatalog zu unterwerfen.

Erst distanzierte sie sich selbst von ihrem Plan der verlängerten Osterruhe, nun droht auch der Bundesnotbremse das Schicksal, am Prellbock des kollektiven Unwillens zu zerschellen. Deutschland könnte, man ahnt es, an Corona wegen seiner kollektiven Neigung zur Perfektion des Handelns scheitern.

Und weil die Beschäftigung mit der möglichen politischen Sensation ja so viel spannender als die mit dem tausendfachen Sterben zu sein scheint, fragte Anne Will zum Beginn ihrer Sendung noch rasch einmal in einer schnellen Schalte zur Hauptstadt-Korrespondentin Tina Hassel, wie es denn mit dem Thema Kanzlerkandidatur bei der Union stünde.

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