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Vor allem Frauen und Kinder leben im Lager Al-Hol.

© Delil Souleiman/AFP

Syrische Kurden erlassen Amnestie: 25.000 Angehörige von IS-Kämpfern kommen frei

Aus den kurdischen Haftlagern kommende Tausende Gefangene frei. Die Behörden beklagen, von Europa keine Unterstützung zu bekommen.

Die syrischen Kurden entlassen rund 25.000 IS-Familienangehörige aus einem berüchtigten Internierungslager an der Grenze zum Irak. Die Kurden klagen schon lange, dass sie die vielen Gefangenen nicht auf Dauer bewachen könnten.

Jetzt haben die Autonomiebehörden eine Amnestie für syrische Insassen im Lager Al Hol erlassen und mit deren Freilassung begonnen. In Al Hol werden vor allem Frauen und Kinder von IS-Kämpfern festgehalten.

Die kurdischen Behörden im Nordosten Syriens werfen Deutschland und anderen westlichen Staaten vor, sie mit dem Problem der IS-Gefangenen alleinzulassen. Bei Deutschland und anderen Ländern gebe es „ein totales Desinteresse“.

Als Verbündete der USA stellten die Syrisch-Demokratischen Streitkräfte (SDF), eine kurdisch dominierte Milizen-Allianz, in den vergangenen Jahren die Bodentruppen im Krieg gegen den Islamischen Staat.

Nach der militärischen Niederlage der Dschihadisten im Frühjahr 2019 gerieten Zehntausende IS-Mitglieder und deren Familien in Gefangenschaft.

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Im Lager herrschten "IS-nahe Strukturen"

Derzeit bewachen SDF-Truppen in rund einem halben Dutzend Lagern im kurdischen Autonomiegebiet im Nordosten Syriens etwa 11.000 IS-Kämpfer – darunter rund 2000 Ausländer und Zehntausende Frauen und Kinder.

Das größte Lager ist Al Hol, wo etwa 65.000 Menschen festgehalten werden. Neben den etwa 25.000 syrischen Insassen leben dort rund 31.000 irakische IS-Angehörige und 9.000 Gefangene aus anderen Ländern.

Nach der jetzt begonnenen Entlassung der Syrer hoffen die kurdischen Behörden auf eine Verbesserung der Lage in Al Hol, wo IS-Anhängerinnen nach Medienberichten und Erkenntnissen der deutschen Regierung ein Schreckensregiment führen.

Extremistinnen in dem Lager hätten „IS-nahe Strukturen“ aufgebaut, hieß es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag im Juli.

Kinder und Jugendliche würden mit der IS-Ideologie indoktriniert und radikalisiert. Mehrmals haben Insassen Ausbruchsversuche gestartet und das Wachpersonal angegriffen.

Entlassene werden in ihre Heimatregionen gebracht

Freigelassen würden nun syrische Frauen und Kinder, die in Dörfer und Städte im Nordosten des Landes zurückkehren könnten, sagte Thomas McClure vom Rojava Information Center, das der kurdischen Verwaltung nahesteht, dem Tagesspiegel in Istanbul.

Heimkehrwillige syrische Lagerinsassen in Al Hol können sich demnach für die Freilassung registrieren und werden anschließend in ihrem Heimatregion gebracht.

Eine erste Gruppe von knapp 290 Menschen verließ das Lager nach Angaben von McClure vor wenigen Tagen und kehrte in die syrische Provinz Deir ez-Zor zurück. An einer Rückführung von Lagerinsassen in syrische Gebiete, die unter der Kontrolle der Regierung von Präsident Baschar al Assad stehen, werde gearbeitet.

Die Bedingungen, unter denen die Menschen im Lager leben, sind schlecht.
Die Bedingungen, unter denen die Menschen im Lager leben, sind schlecht.

© Delil Souleiman/AFP

Auch die Türkei hat IS-Kämpfer im Nordosten Syriens gefangen genommen. Die türkische Armee war vor einem Jahr in die Region einmarschiert, um das kurdische Autonomiegebiet dort zu zerschlagen.

Anschließend schickte Ankara etwa 20 deutsche Kämpfer des Islamischen Staates, die in türkische Gefangenschaft geraten waren, in die Bundesrepublik zurück. Auch Extremisten aus anderen europäischen Staaten wurden in ihre Heimatländer abgeschoben.

50 deutsche Frauen sind in nordsyrischen Lagern

Die Mehrheit der ausländischen und syrischen IS-Gefangenen blieb jedoch in Lagern unter der Obhut der kurdischen Autonomiebehörden. Elhalm Ahmad, Chefin des politischen Flügels der SDF, kündigte jetzt Gespräche mit den Heimatländern ausländischer Extremisten an, die in den Gefangenenlagern sitzen.

Die Rückführung der Ausländer nach Europa und in andere Länder gestalte sich schwierig, sagte Ahmad der Nachrichtenplattform Rudaw im kurdischen Teil des Irak.

Nach Angaben der Bundesregierung sitzen in verschiedenen nordsyrischen Lagern insgesamt 50 deutsche Frauen und 30 deutsche Männer.

Das Lager ist ein Provisorium, es herrschen IS-nahe Strukturen.
Das Lager ist ein Provisorium, es herrschen IS-nahe Strukturen.

© Delil Souleiman/AFP

Die kurdischen Autonomiebehörden werfen Deutschland und anderen westlichen Staaten vor, einerseits die Rücknahme ihrer Staatsbürger abzulehnen, andererseits aber die Kurden für die schlechten Bedingungen in den syrischen Internierungscamps verantwortlich zu machen.

Die USA stellten den Kurden nach Presseberichten im Frühjahr medizinische Güter im Wert von 1,2 Millionen Dollar zur Verfügung, um einen Ausbruch des Coronavirus in den nordostsyrischen Lagern zu verhindern. Deutschland und andere Länder leisteten aber keine Unterstützung, sagte McClure.

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