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Leonora M., 21 Jahre alt, aus Sachsen-Anhalt hat sich als Teenager dem „Islamischen Staat“ (IS) in Syrien angeschlossen.

© DELIL SOULEIMAN/AFP

Syrische Kurden bestätigen Einigung: Bundesregierung holt deutsche IS-Dschihadistinnen aus Syrien zurück

Drei Islamistinnen aus den Gefangenencamps in Nordsyrien kommen nach Deutschland. Bislang weigerte sich die Bundesregierung, den Kurden die Last abzunehmen.

Die Bundesregierung holt drei Dschihadistinnen aus Syrien nach Deutschland zurück - die Frauen sollen noch vor Weihnachten ausgeflogen werden. Das berichtet die „Bild“-Zeitung, dem Tagesspiegel bestätigten Vertreter der syrischen Kurden den Vorgang.

Es handelt sich demnach um Leonora M., 21 Jahre, aus Sangerhausen, Merve A., 24, aus Hamburg und Yasmin A. aus Bonn. Die drei hatten sich freiwillig dem „Islamischen Staat“ (IS) angeschlossen.

Die IS-Frauen wurden nach dessen Niederlage von Einheiten der multiethnisch-oppositionellen Allianz SDF in Ostsyrien festgenommen. Die SDF, deren Hauptkraft die kurdische Miliz YPG ist, kämpft mit Hilfe der US-geführten Koalition am entschlossensten gegen den IS. Die säkulare SDF-Allianz untersteht der international kaum anerkannten Regionalregierung im überwiegend von Kurden bewohnten syrischen Nordosten.

Die drei IS-Frauen und einige Kinder - darunter Waisen gefallener IS-Anhänger - werden wohl vom Flughafen Erbil ausgeflogen. Erbil ist die Hauptstadt der weitgehend anerkannten kurdischen Autonomieregion in Irak, die Bundeswehr unterhält dort einen Stützpunkt.

Die auch Rojava genannte kurdische Autonomiezone in Syrien hingegen wird von der Bundesregierung gemieden. Wie berichtet hatte es aber Treffen deutscher Spitzenbeamter mit syrisch-kurdischen Politikern gegeben.

Der Vertreter der Regionalregierung in Berlin, Khaled Davrisch, sagte dem Tagesspiegel: "Wir besprechen die Lage mit der Bundesregierung seit Langem. Nun hat sich Deutschland entschlossen, diese Frauen und Kinder zurückzunehmen. Die Frauen sind schon eine Weile erkrankt."

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Die Bundesregierung hat die Rückführung deutscher IS-Anhänger aus Syrien bislang abgelehnt. Das Auswärtige Amt begründete dies damit, dass Berlin keine diplomatischen Beziehungen mehr zu Damaskus unterhalte - und ohnehin nicht zur kurdischen Selbstverwaltung im abtrünnigen Nordosten. Dort regiert de facto eine von der säkularen Kurdenpartei PYD dominierte Koalition schon seit 2012, der auch Vertreter säkular-arabischer und christlicher Parteien angehören.

Zehntausende IS-Anhänger werden in Camps bewacht

Weil die PYD als Schwesterorganisation der Kurdischen Arbeiterpartei PKK gilt, distanzierte sich aus Rücksicht auf den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan auch die Bundesregierung von der PYD. Die PKK kämpft in der Türkei um kurdische Autonomie und ist auch in Deutschland als terroristische Vereinigung verboten. Die USA, Frankreich und die Benelux-Staaten erkennen die PYD als Vertreter der syrischen Kurden an.

Immer wieder hatten die Kurden in Syrien und Irak darum gebeten, dass die internationalen Dschihadisten von ihren Heimatstaaten aufgenommen werden. Alternativ mögen die Staaten ein internationales Tribunal vor Ort unterstützen.

Zehntausende IS-Anhänger werden in der Autonomieregion in Nordost-Syrien in provisorischen Camps bewacht. Die kurdische Autonomieregierung kann Ausbrüche der Dschihadisten kaum noch verhindern. Die örtlichen Kurden werden von Islamisten, der Türkei sowie der Zentralregierung von Herrscher Baschar al Assad attackiert. Zudem setzt der isolierten Kurdenregion die Pandemie zu.

Die türkische Armee und mit ihr verbündete Islamisten greifen die Autonomiezone seit Jahren regelmäßig an: Inzwischen sind weite Gebiete der syrischen Kurden von türkischen Truppen besetzt. Aktuell drohen protürkische Islamisten, die kurdischen Wachen eines der Anti-IS-Camps zu vertreiben.

Deutsche Sicherheitsbehörden gingen zuletzt von circa 1000 Islamisten aus der Bundesrepublik aus, die seit Beginn des arabischen Frühlings nach Syrien und in den Irak gereist sind. Mindestens ein Drittel dieser IS-Kämpfer ist inzwischen in die Bundesrepublik zurückgekehrt, mehr als 150 der Dschihadisten gelten als tot.

Gegen die drei Rückkehrerinnen ermittelt die Bundesanwaltschaft wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation im Ausland. "Bild" schreibt, da in Deutschland keine Fluchtgefahr bestehe und auch sonstige Haftgründe - etwa befürchtete Beweismittelvernichtung - nicht vorlägen, werden die IS-Anhängerinnen wohl nicht in Untersuchungshaft kommen.

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