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Im Norden Syriens sind Tausende Zivilisten auf der Flucht vor den Angriffen der Regierungstruppen.

© Omar Haj Kadour, AFP

Syrien: Wieder flüchten Zehntausende Syrer vor dem Krieg

Neue Spannungen vor Gesprächen in Sotschi: Syriens Machthaber Assad geht weiter gegen Rebellen vor. Die Lebensumstände der Menschen sind erbärmlich

In Syrien herrscht schon seit fast sieben Jahren Krieg – jetzt scheint Machthaber Baschar al Assad eines der letzten großen Rückzugsgebiete seiner Gegner zurückerobern zu wollen. Wegen der massiven Militäroffensive im Nordwesten des Landes versuchen sich Zehntausende Menschen in Sicherheit zu bringen. Hilfsorganisationen und die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass noch sehr viel mehr Menschen fliehen werden, um so Schutz vor der Gewalt zu suchen.

„Mehr als 100.000 Menschen sind vor den Bombardierungen und Bodengefechten aus der Stadt Idlib in die Grenzregion zur Türkei geflohen, wo die Lebensumstände nach sieben Jahren Krieg erbärmlich sind“, sagte Janine Lietmeyer von Malteser International am Mittwoch. Für diese Menschen, von denen einige bereits mehrfach ihr Zuhause verloren haben, gebe es keine ausreichenden Unterkünfte, weil die Kapazitäten der Auffanglager erschöpft seien. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al Hussein, ist wegen der Lage in Idlib und in der Rebellenenklave Ost-Ghuta nahe Damaskus besorgt. „Das Leiden der Menschen in Syrien kennt kein Ende.“

In Idlib sollte eigentlich Waffenruhe gelten

Seit Ende Dezember rücken die Regierungstruppen mit Unterstützung der russischen Luftwaffe und schiitischer Milizen wie der libanesischen Hisbollah in der Region Idlib vor. Das Gebiet wird von moderateren Rebellengruppen, vor allem aber von islamistischen Extremisten kontrolliert. Dort leben derzeit schätzungsweise drei Millionen Menschen. Darunter sind aufständische Kämpfer und Zivilisten, die vor der syrischen Armee nach Idlib ausgewichen oder dorthin gebracht worden. Viele stammen aus der früheren Rebellenhochburg Aleppo, das seit gut einem Jahr wieder vollständig vom Regime beherrscht wird.

Idlib gehört zu einer von vier „Deeskalationszonen“. Deren Einrichtung haben Russland, der Iran und die Türkei als Garantiemächte vor einigen Monaten vereinbart. In den Deeskalationszonen soll eigentlich eine Waffenruhe gelten. Doch offenkundig halten sich die Regierenden in Damaskus nicht daran. Assad hat in der Vergangenheit mehrfach angekündigt, er wolle wieder ganz Syrien kontrollieren. Es sei nicht logisch zu sagen, „dass es einen Teil unseres Landes gibt, auf den wir verzichten“. Für den Präsidenten sind alle Gegner „Terroristen“, die es mit allen Mitteln zu bekämpfen gelte.

Die Türkei ist beunruhigt

Beobachter bringen denn auch die jetzige Offensive mit den anstehenden Gesprächen über Syriens Zukunft in Verbindung. Zum einen soll es am 21. Januar unter Vermittlung der UN eine neue Verhandlungsrunde in Genf geben. Zum anderen ist für den 29. und 30. Januar ein Treffen der Konfliktparteien im russischen Sotschi geplant. Dort will das mit Syrien verbündete Russland über eine Nachkriegsordnung reden. Experten vermuten, dass Assad versucht, bis dahin Fakten auf dem Schlachtfeld zu schaffen und so seine Macht zu festigen.

Das könnte zu Spannungen mit der Türkei führen. Denn nach Auffassung der Führung in Ankara verletzt die syrische Militäroperation die Idee der Deeskalationszonen. Russland und der Iran müssten sofort ihrer Verantwortung gerecht werden und Assad stoppen, sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu der Nachrichtenagentur Anadolu. Präsident Recep Tayyip Erdogan ist einer erklärter Gegner Assads. Allerdings verfolgt die Türkei eigene Interessen: Sie setzt alles daran, dass kein Kurdenstaat an der Grenze zu Syrien entsteht.

Der anhaltende Krieg scheint nicht zuletzt dem IS zugute zu kommen. Der Terrormiliz soll es gelungen sein, seit Oktober mehr als 40 Dörfer einzunehmen.

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