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Ein Syrer trägt seine beiden Töchter durch die Ruinen von Aleppo.

© AFP

Syrien: Eine Million Menschen werden ausgehungert

Die Vereinten Nationen beklagen Kriegsverbrechen gegen Zivilisten. Die Ärzte ohne Grenzen sprechen von einem Ende der Humanität.

Für viele Syrer gehören Leid und Not schon lange zum mörderischen Alltag. Doch selbst nach mehr als fünf Jahren Krieg scheint die Lage von Tag zu Tag verheerender zu werden – im ganzen Land und vor allem in der seit Langem umkämpften Stadt Aleppo. Nach Informationen der Vereinten Nationen leben mittlerweile fast eine Million Menschen unter Belagerung – damit hat sich die Zahl der Betroffenen innerhalb von sechs Monaten verdoppelt. Das bedeutet: Frauen, Kinder und Männer sind weitgehend von Hilfe abgeschnitten, obwohl sie dringend mit Lebensmitteln, Trinkwasser und Medikamenten versorgt werden müssten.

Laut dem UN-Beauftragten für humanitäre Hilfe, Stephen O’Brien, werden die meisten Syrer – etwa 850.000 – von Regierungstruppen des Machthabers Baschar al Assad belagert. Der Rest gehe auf das Konto unterschiedlicher Rebellengruppen und der Terrormiliz „Islamischer Staat“. Vor dem UN-Sicherheitsrat sagte O’Brien jetzt: „Zivilisten werden isoliert, ausgehungert und ausgebombt.“ Ihnen werde medizinische Unterstützung verwehrt, „damit sie aufgeben oder fliehen“. Damit werde das humanitäre Völkerrecht mit Füßen getreten, betonte der Diplomat. Laut UN-Rechtsexperten handelt es sich dabei um Kriegsverbrechen. Durch den Konflikt sind seit 2011 mehrere Hunderttausend Syrer ums Leben gekommen, schätzungsweise elf Millionen haben ihre Heimat verloren.

Dramatische Lage in Aleppo

Immer dramatischer wird die Situation in Aleppo. In den vergangenen Tagen wurden die wenigen verbliebenen Kliniken im von Aufständischen kontrollierten Ostteil der Stadt mehrfach bombardiert. Der Vorstandsvorsitzende von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland, Volker Westerbarkey, sagte dem Tagesspiegel: „Für Zivilisten ist der belagerte Ostteil Aleppos zur Hölle geworden. Die Ärzte vor Ort berichten uns vom schwersten Bombardement seit Beginn des Konflikts.“ Die Gesundheitsversorgung sei zusammengebrochen, die Menschen seien völlig auf sich alleine gestellt, sagte Westerbarkey weiter. „Seit September haben wir 33 Angriffe allein auf die von uns unterstützten Kliniken im Osten Aleppos gezählt. Jeder gezielte Angriff auf ein Krankenhaus ist ein Verstoß gegen internationales Völkerrecht. Was wir derzeit in Aleppo, aber auch an anderen Orten Syriens erleben, ist das Ende der Humanität im Krieg.“

Auch das Kinderhilfswerk Unicef zeigte sich entsetzt. Geert Cappelaere, Unicef-Regionaldirektor für den Nahen Osten und Nordafrika, sagte: „Dies war eine Woche des Horrors für die Kinder, die unter unablässigen Bombardements auf Schulen, Wohnhäuser und Krankenhäuser leben und sterben.“ Cappelaere forderte die Konfliktparteien auf, den Beschuss von zivilen Einrichtungen zu beenden: „Wir fragen uns, ob die Verantwortlichen noch Worte haben, die diese Angriffe auf Kinder rechtfertigen.“

Nach Ansicht des UN-Syrien-Beauftragten, Staffan de Mistura, könnten die kommenden Wochen für Aleppos Schicksal entscheidend sein. „Das Regime und seine Verbündeten werden womöglich versuchen, mit brutalen Mitteln die Stadt vollständig unter Kontrolle zu bekommen“, sagte der Diplomat am Montag bei einer Veranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion. „Das muss verhindert werden.“

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