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Außenminister Frank-Walter Steinmeier fordert eine Flugverbotszone über ganz Syrien.

© REUTERS

Syrien: Dieser Krieg hat keine Sieger

In Syrien hilft jetzt nichts anderes als die Verhängung eines vollständigen militärischen Flugverbotes über das ganze Land. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Der Krieg ist nicht die Fortsetzung der Diplomatie mit anderen Mitteln. Der Krieg ist die Kapitulation der Diplomatie und davor eine Folge deren Versagens, so ihr überhaupt im Verlauf einer dramatischen Zuspitzung die Möglichkeit gegeben wurde, sich um eine friedliche Beilegung von Streitigkeiten zu bemühen. In Syrien aber hatte Diplomatie nie eine solche Chance, weil alle Konfliktparteien bis heute ausschließlich auf die Vernichtung des Gegners gesetzt und nie auch nur ansatzweise über einen Kompromiss nachgedacht haben.

Wenn heute, in Genf, in New York, im Bundestag in Berlin, endlich über die Möglichkeiten der Diplomatie geredet wird, ist das vor allem ein Indiz dafür, dass das Leiden der Zivilbevölkerung Syriens ein so unerträgliches Ausmaß angenommen hat, dass zumindest die beiden großen Mächte Russland und Vereinigte Staaten nicht weiter so tun können, als ginge sie das massenhafte Töten und Vernichten menschlichen Lebens nichts an. Es ist der Druck der Öffentlichkeit, der, zumindest zeitweise, die Kontrahenten zum Innehalten zwingt, nicht etwa Einsicht. Das bedeutet aber auch, dass alle, die in der Welt der Politik, der Medien, der Zivilgesellschaft eine Stimme haben, diese permanent erheben müssen.

Diplomatie unterstützen

Was kann diese Öffentlichkeit erreichen? Sie kann zunächst nur die Diplomatie da unterstützen, wo diese versucht, vor allem anderen einen Waffenstillstand zu erreichen, und sei es auch nur ein vorübergehender, um eine Versorgung der Zivilbevölkerung in den umkämpften Gebieten möglich zu machen. So lange sich die USA und Russland darüber streiten, wessen Flugzeuge für welches Massaker verantwortlich sind, hilft zudem nur die schnelle Umsetzung des Vorschlags von Außenminister Frank-Walter Steinmeier: Die Verhängung eines vollständigen militärischen Flugverbotes über ganz Syrien. Deutschland sollte darüber hinaus anbieten, sich an der Überwachung dieses Flugverbotes aktiv zu beteiligen, etwa, indem der Einsatz der multi-national besetzten Awacs-Aufklärungsmaschinen über der Region ausgeweitet wird.

Nichts anderes als eine Waffenruhe will auch der frühere amerikanische Präsident Jimmy Carter erreichen. Er appellierte jetzt über die „International New York Times“: „Stoppt das Töten!“ Carter erinnerte, dass neben den USA und Russland regionale Mächte ein Interesse an der Eskalation des Krieges haben: Iran wegen der Hisbollah und deren Verbindung zum Libanon; Saudi-Arabien, das genau dies verhindern will; die Türkei, der es vor allem um die Schwächung der Kurden geht. Diesen drei Kontrahenten ist das Schicksal der syrischen Zivilbevölkerung völlig egal. Carters Schlussfolgerung: Alle Frontlinien und Stellungen müssen eingefroren werden, damit sich in Verbindung von Flugverbot und Waffenstillstand eine Zone besserer Lebensbedingungen bilden kann, in die dann auch viele jener Menschen ausweichen können, die nichts als Frieden wollen.

Frank-Walter Steinmeier hat den 51. Historikertag in Hamburg mit einer von der UN-Sondersitzung übertragenen Videobotschaft eröffnet. Er zog eine Linie vom Westfälischen Frieden, mit dem 1648 der Dreißigjährige Krieg beendet wurde, zu einem möglichen Ergebnis diplomatischer Bemühungen im Mittleren Osten: „Wer den Frieden will, kann nicht gleichzeitig vollständige Wahrheit, Klarheit und Gerechtigkeit erwarten“. Aber das Wichtigste eben doch: den Frieden.

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