zum Hauptinhalt
Bernie Sanders, demokratischer Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur

© dpa/AP/Damian Dovarganes

„Super Tuesday“ in den USA: Es läuft die Operation „Bernie verhindern“

Kurz vor dem „Super Tuesday“ beenden moderate Demokraten ihre Kandidatur und rufen zur Wahl Joe Bidens auf. Aber: Machen die Wähler da mit? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Da ist wohl mächtig Druck hinter den Kulissen ausgeübt worden. Wenige Stunden, bevor die US-Bürger in 14 Bundesstaaten darüber abstimmen, wer für die Demokraten gegen Donald Trump antreten soll, beenden Pete Buttigieg und Amy Klobuchar ihre Bewerbungen und rufen zur Wahl von Joe Biden auf. Auf Gefühle wird keine Rücksicht genommen. Auch in Klobuchars Heimatstaat Minnesora wird Dienstag abgestimmt. Und doch musste sie schon vor dem Heimspiel aufgeben - aus Rücksicht auf die Parteiräson.

Fällt die Vorentscheidung? Es geht um ein Drittel der Delegierten

Das zeigt, wie groß die Sorge unter den moderaten Demokraten ist, dass Bernie Sanders, der sich gern als "Sozialisten" bezeichnet, einen uneinholbaren Vorsprung bei der Zahl der Delegierten für den Nominierungsparteitag erzielt. Und dann die Hauptwahl im November gegen Trump verliert. Denn so "links" ticken die Amerikaner dann doch nicht, befürchtet das Establishment der Partei.

Die Operation "Bernie verhindern" musste schnell in Gang kommen. Immerhin werden am heutigen "Super Tuesday" rund ein Drittel der Delegierten, vergeben. Unter anderem stimmen die Bürger in den bevölkerungsreichen Staaten Kalifornien und Texas ab. 1.357 Delegierte sind zu holen, 1.991 reichen für die Nominierung. Nach den ersten vier Vorwahlen hat Sanders 60 Delegierte, Biden 54. Und Sanders führt in vielen der "Super Tuesday"-Staaten in den Umfragen, auch in Kalifornien, wo heute 415 Delegierte zugeteilt werden.

Im Aufwind: Joe Biden
Im Aufwind: Joe Biden

© AFP/Getty Images/Ron Jenkins

Zwei "Linke" und zwei "Moderate"

Das Feld hat sich nach dem mehr oder weniger freiwilligen Ausscheiden von Buttigieg und Klobuchar gelichtet. Jetzt sind noch zwei "linke" und zwei "moderate" Bewerber mit messbaren Aussichten im Rennen: Sanders und Elizabeth Warren für die Progressiven, Biden und Michael Bloomberg für die Zentristen. Und das Ausdünnen könnte sich sehr rasch fortsetzen. Bloomberg hat ganz auf den "Super Tuesday" gesetzt. Gelingt ihm heute nicht der Durchbruch und kann er sich nicht als der Moderate mit den besseren Aussichten als Biden etablieren, dürfte sein Wahlkampf rasch wieder vorbei sein.

Die Frage ist nur: Folgen die Wähler diesem doch etwas statischen Schubladendenken der Parteioberen? Teilen die Bürger das Kandidatenfeld in "links" und "moderat" ein und geht das Kalkül auf, dass Buttigieg- und Klobuchar-Wähler sich nun für Biden entscheiden? Plus die Anhänger von Beto O'Rourke - denn auch der Hoffnungsträger von 2018/19 hat sich am Vorabend des Super Tuesday für Biden ausgesprochen. Und stimmt es spiegelbildlich, dass die Anhänger der anderen "linken" Kandidatin, Elizabeth Warren, sich für Biden entscheiden, wenn sie über kurz oder lang ausscheidet?

[Mit dem Newsletter "Twenty/Twenty" begleitet unser US-Quintett Christoph von Marschall, Anna Sauerbrey, Juliane Schäuble, Malte Lehming und Tilman Schröter Sie jeden Donnerstag auf dem Weg zur Präsidentschaftswahl. Hier geht es schon jetzt zur kostenlosen Anmeldung: tagesspiegel.de/twentytwenty]

Persönlichkeit und Begeisterung sind wichtiger als das Programm

Wahlen in den USA sind nach aller Erfahrung Personenwahlen, noch weit mehr als in Europa. Sympathie für die Kandidatin oder den Kandidaten ist wichtiger als die Programmatik.

Ein weiterer entscheidender Aspekt, bei dem Kopf und Herz in Konflikt geraten: Inwieweit richten sich demokratische Wähler nach der Überlegung, wer die höchste "Electability" hat - also die beste Chance, Trump in der Hauptwahl zu schlagen? Und inwieweit lassen sie sich von dem Gefühl leiten, wer eher Begeisterung auslösen und Bürger zur Wahl motivieren kann? Biden und Bloomberg argumentieren mit ihrer "Electability" im Vergleich zu Sanders. Sanders verweist darauf, dass er mehr Begeisterung auslöst, dass viel mehr Bürger zu seinen Auftritten kommen und Geld für seine Kampagne spenden.

"Momentum" entscheidet

Wie entscheidend das "Momentum" sein kann - der Eindruck der Bürger und Medien, ob jemand im Auf- oder im Abwind ist -, hat der dramatische Verlauf der Zustimmungskurven der letzten Wochen gezeigt. Biden führte die nationalen Umfragen bis Ende Januar stabil an mit Werten nahe 30 Prozent. Dann gewann Bernie Sanders Iowa, New Hampshire und Nevada. Und Biden konnte sich nicht mal den zweiten Platz sichern, sondern stürzte ab. Erst die afroamerikanischen Wähler im Südstaat South Carolina retteten ihn. Am Morgen des Super Tuesday weist Bidens Kurve nach oben. Und Sanders Kurve nach unten.

So könnte der "Super Tuesday" mit einem Paradox enden, sobald die Delegiertenstimmen ausgezählt sind. Gut möglich, dass sich das Bewerberfeld rasch weiter lichtet. Und dass doch keine Vorentscheidung fällt und sich das spaltende Rennen, ob Sanders oder eine der beiden moderaten Alternativen, Biden oder Bloomberg, die Oberhand behält, bis zum Nominierungsparteitag im Juli hinzieht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false