zum Hauptinhalt
Helm und Schutzweste sind immer dabei. Major Palkowitsch mit einem Kollegen in Südsudan.

© promo

Südsudan: "Die Unterstützung für Südsudan ist immens wichtig"

Der deutsche Major der Reserve Oliver Palkowitsch ist derzeit für die UN im Südsudan im Einsatz. Im Interview mit dem Tagesspiegel berichtet er, wie er die aktuelle Krise in den Land erlebt.

Herr Palkowitsch, Sie sind seit Ende November im Südsudan und arbeiten für die dortige UN-Mission Unmiss. Wie erleben Sie das Leben in der Hauptstadt Juba oder auch in anderen Landesteilen? Findet dort ein normaler Alltag statt, oder sind die aktuellen Spannungen auch in der Hauptstadt sichtbar?

Das muss man differenziert betrachten. Es gibt durchaus relativ ruhige Regionen. Im Fokus stehen natürlich die Orte, die besonders stark vom Konflikt betroffen sind. Über die Lebensverhältnisse der dortigen Bevölkerung habe ich aus eigener Anschauung nur wenig Kenntnis. Aber die immensen Flüchtlingszahlen sprechen für sich. Zumal die Lebensbedingungen im Land auch ohne Krise nie wirklich gut waren. Von Juba habe ich aus dem täglichen Erleben schon einen prägenden Eindruck gewonnen. Die Stadt scheint sehr ruhig, eine trügerische Ruhe wie wir wissen. Im Laufe der vergangenen Woche kam es auch im direkten Umfeld der Unmiss-Standorte immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen.

Was ist genau Ihre Aufgabe? Ist Ihre Arbeit durch die aktuelle Lage eingeschränkt?

Als sogenannter Military Liaison Officer, militärischer Verbindungsoffizier, habe ich den Auftrag, Verbindung zu den Leuten im Land zu halten. Als Soldat im speziellen zur SPLA, der südsudanesischen Armee. Denn im Gegensatz zu den meisten anderen UN-Mandaten geht es hier, oder besser gesagt ging es bis zum Ausbruch des Konflikts im Dezember, nicht um die Vermittlung zwischen zwei befeindeten Parteien, sondern um Aufbauhilfe für den jüngsten Staat der Weltgemeinschaft. Leider sieht es derzeit danach aus, dass wir in die klassische Funktion des Mediators zurückkehren müssen. Insofern ist unsere Arbeit nicht eingeschränkt, sondern in vielen Bereichen komplexer geworden. Der Schwerpunkt konzentriert sich jetzt ganz deutlich auf das Mandat, die Zivilbevölkerung zu schützen. Jedoch liegen die zuvor gesteckten Ziele, die hiesige Armee zu reduzieren und an internationale Standards heranzuführen, erst einmal auf Eis. Darauf bezogen kann man durchaus von einer Einschränkung sprechen.

Sie waren bereits früher im Südsudan, wie hat sich das Land aus Ihrer Sicht seither verändert?

Ich hatte bei meiner Abreise 2008 aus Bentiu, derzeit im Mittelpunkt des Konfliktgeschehens, einen durchaus positiven Eindruck mit nach Hause genommen. Damals, als es noch um den Konflikt zwischen dem arabischen Nord- und dem schwarzafrikanischen Süden des Gesamtsudan ging, habe ich kriegsmüde Konfliktparteien erlebt. Am Ende meiner Mission wurde ein wichtiger Teil der Friedensverträge erfüllt, und ich konnte den Abzug von nordsudanesischen Truppen beobachten. Aus heutiger Perspektive habe ich den Eindruck, dass der jahrzehntelange Bürgerkrieg mit dem arabischen Nordsudan vielleicht den Blick auf die internen Konflikte, die wir jetzt erleben, verstellte. Grundsätzlich waren und sind die allgemeinen Lebensumstände im Land aber ganz unabhängig vom aktuellen Konflikt sehr bescheiden. Gerade deshalb ist auch die Unterstützung für die Zivilgesellschaft und für Entwicklung des Staates so immens wichtig.

Was bedeutet die aktuelle Krise für den Staatsaufbau?

Ich bin zu kurz im Land und auch nicht in der Position, dies im Detail beurteilen zu können.  Für meinen Arbeitsbereich gilt: Die Unterstützung von Militärreformen ist derzeit aus verständlichen Gründen nicht durchführbar. Grundsätzlich gibt es für alle Bereiche des Staatsaufbaus das Problem, das nun viele Ansprechpartner fehlen. Auch Deutschland hat praktisch sämtliches Unterstützungspersonal evakuiert. Deshalb muss schnellstmöglich wieder Stabilität entstehen, damit die Entwicklungszusammenarbeit fortgesetzt werden kann. Unmiss wird dabei als größter internationaler Stabilisierungsfaktor im Land seinen Beitrag leisten.

Viele Menschen haben sich zu den UN geflüchtet. Kommen Sie mit Flüchtlingen in Kontakt? Was berichten diese?

Ich lebe quasi direkter Nachbarschaft der Flüchtlinge, denn große Teile des Hauptquartiers sind zum Flüchtlingslager umfunktioniert worden. Hier leben rund 20.000 Schutzsuchende. Ich habe mir einige Male zu Fuß einen eigenen Eindruck verschafft, jetzt besuche ich das Flüchtlingslager aber nur noch selten, denn ein "Flüchtlingslagertourismus" ist auch nicht hilfreich. Die Flüchtlinge die ich bislang gesprochen habe, es waren insgesamt nur eine Hand voll, hatten alle bewegende Erlebnisse zu berichten.

Können Sie einschätzen, wie die Bevölkerung die Krise beurteilt, ob die Menschen an eine Versöhnung und erfolgreiche Friedensgespräche glauben?

Es gibt schon seit dem unmittelbaren Ausbruch des Konflikts die offiziellen Bekundungen der Regierung und auch der Opposition, welche die Einheit des Landes und der Bevölkerung beschwören. Inwieweit dies der Bevölkerung angesichts der politischen Realitäten glaubhaft vermittelbar ist, lässt sich für einen Beobachter von außen schwer einschätzen.

Was sagen Südsudaner, zu denen Sie Kontakt haben, über mögliche Lösungswege für den Konflikt?

Ich habe hier zunächst nicht im Hauptquartier gewohnt und daher immer noch Kontakte außerhalb der Unmiss-Gemeinschaft. Da gibt es beispielsweise die Hoteliers und kleinen Ladenbesitzer, die in der Regel aus dem benachbarten Ausland kommen und sowohl um ihre Sicherheit als auch um ihre wirtschaftliche Existenz fürchten. Viele haben das Land bereits verlassen oder denken darüber nach. Bei den Südsudanern ist praktisch jeder direkt oder mittelbar vom Konflikt betroffen. Sei es, dass Verwandte geflüchtet sind oder getötet wurden, die Nachbarn oder Arbeitskollegen plötzlich verschwunden sind. Die Menschen scheinen zu Recht resigniert zu haben. Auch sind sie es wohl seit Jahrzehnten nicht anders gewöhnt, Spielball im Konfliktgeschehen zu sein.

Können Sie sich selbst in Juba frei bewegen oder unterliegen Sie besonderen Sicherheitsvorkehrungen?

Schon vor der Krise war es nicht ratsam, am späten Abend allein in der Hauptstadt Juba unterwegs zu sein. Das war aber eher der Straßenkriminalität geschuldet.  Seit dem Ausbruch des aktuellen Konfliktes im Dezember gibt es zusätzliche und eindeutige Beschränkungen und Sicherheitsauflagen. Zum einen gibt es seitens der Regierung für die ganze Stadt am Abend eine Sperrstunde. Das UN-Personal kann sich, vorausgesetzt es gibt keine aktuellen Bedrohungswarnungen, tagsüber relativ frei bewegen. Dies jedoch unter Beachtung von erhöhten Sicherheitsmaßnahmen. Beispielsweise sind eine kugelsichere Weste, der Helm und das Funkgerät stets mitzuführen.

Wirkt sich die aktuelle Krise auf Sie persönlich aus?

Wenn Sie nach meinen persönlichen Lebensbedingungen fragen, habe ich selbst keinen Grund zur Klage. Zwar gab es einige ungeplante Veränderungen, zum Beispiel musste ich meine sehr wohnliche Unterkunft außerhalb des Unmiss-Lagers aufgeben und in einen Container umziehen, aber das sind bestenfalls Luxusprobleme. Grundsätzlich ist man hier im Hauptquartier rundum gut versorgt. Auch die Versorgungslage in Juba lässt prinzipiell keine Wünsche offen. Das sieht bei vielen Kameraden, auch einigen deutschen, in den Landesregionen zum Teil leider anders aus. Deshalb haben wir hier auch ein Auge darauf, ihnen zumindest ab und zu zusätzliche Versorgungspakete zukommen zu lassen.

Zur Startseite