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Enttäuscht: Eine Befürworterin des Friedensvertrags mit den Farc-Rebellen in Kolumbien.

© dpa/EPA/Leonardo Munoz

Update

Südamerika: Kolumbianer lehnen Friedensvertrag mit Farc-Rebellen ab

Überraschung in Kolumbien: In einem Referendum stimmen die Bürger gegen das Abkommen mit der linken Farc-Guerilla. Das Nein ist ein Rückschlag für Präsident Santos und den Friedensprozess.

Ein gespaltenes Kolumbien hat sich am Sonntag mit knapper Mehrheit gegen einen Frieden mit der Guerilla ausgesprochen. An einem regnerischen Tag ging nur rund ein Drittel der Wahlberechtigten überhaupt zur Stimmabgabe, von ihnen entschieden sich 50,2 Prozent gegen den von der Regierung und den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens ausgehandelten Friedensvertrag, und nur 49,7 Prozent waren dafür. Erst am Montag war der Friedensvertrag nach über vier Jahren schwieriger Verhandlungen im Beisein von UN-Generalsekretär Ban-Ki Moon von Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos und den Rebellen unterzeichnet worden. Das Resultat stellt die ehemaligen Kriegsparteien vor ein Legitimitätsproblem: entweder setzen sie sich über das Votum des Volkes hinweg, oder sie drehen das Rad der Geschichte zurück und bekriegen sich weiterhin gnadenlos. In dem vor 52 Jahren begonnenen Bürgerkrieg starben 220000 Menschen und weitere sechs Millionen Menschen wurden vertrieben.

Während in den vom Bürgerkrieg besonders betroffenen, ländlichen Regionen das „Ja“ zum Teil mit 70 Prozent der Stimmen vorne lag, stimmte vor allem die vom Krieg wenig betroffene Stadtbevölkerung dagegen – mit Ausnahme der Hauptstadt Bogota. Anteilsmäßig übertrifft die Stadtbevölkerung die ländliche jedoch bei Weitem. Nicht einmal die erste öffentliche Waffenvernichtung durch die Vereinten Nationen (UN) am Samstag oder die Ankündigung der Farc, ihr Vermögen offenzulegen, konnten die Stimmung noch entscheidend beeinflussen.

Dass fast zwei Drittel der Wahlberechtigten erst gar nicht an die Urnen gingen, lag wohl nicht zuletzt auch daran, dass in dem von sozialer Ungleichheit geprägten Land, die von Korruption und Vetternwirtschaft gekennzeichnete, politische Elite das Vertrauen der Wähler verloren hat. Außerdem war der emotionsbehaftete Diskurs der Friedensgegner eingängiger als die Argumente der Befürworter. Viele Regionalpolitiker, schrieb das Nachrichtenportal „Silla Vacía“, die sich noch bei der letzten Wahl – gegen entsprechende Bezahlung – für Santos stark gemacht hätten, seien diesmal mangels monetärer Anreize passiv geblieben.

Das geschundene Volk von Kolumbien hat jahrzehntelang unter den Farc gelitten. Das Ergebnis zeigt, wie schwierig Vergebung und Aussöhnung ist und wie dominant das Gefühl, Vergeltung üben zu müssen. Leider funktioniert Aussöhnung und letztlich Frieden nicht ohne Vergebung.

schreibt NutzerIn Gophi

Als sich die Wahlniederlage des Friedens bereits abzeichnete, twitterte der Anführer der Farc, Timoleon Jiménez alias Timochenko, die Guerilla sei weiterhin gewillt, Frieden zu schließen und das Wort gegen Waffen zu tauschen. „Wir bedauern zutiefst die destruktive Macht derjenigen, die Hass und Rachsucht verbreiten und damit die öffentliche Meinung manipuliert haben“, erklärte Timochenko unter Anspielung auf den ultrarechten Ex-Präsidenten Alvaro Uribe, der die Front der Friedensgegner angeführt hatte. Die Gegner störten sich vor allem an der Straffreiheit für die Farc- Kämpfer, die ihre Verbrechen offenlegen und dafür symbolische Reparationen wie den Wiederaufbau von Schulen oder Straßen oder die Befreiung von Landminen leisten sollten, nicht aber ins Gefängnis müssten. Ein weiterer Kritikpunkt waren die zehn Parlamentssitze, die den Farc über zwei Legislaturperioden hinweg auch ohne Wählerstimmen zugestanden hätten.

Präsident Santos, der umgehend eine Krisensitzung anberaumte, erklärte, es gäbe einen Plan B und er wolle an der vereinbarten Waffenruhe festhalten. „Ich gebe nicht auf und werde bis zum Ende meines Mandats den Frieden suchen“, sagte er. Damit widersprach er sich selbst, denn vor dem Plebiszit hatte er betont, eine Niederlage würde automatisch die Rückkehr in den Krieg bedeuten, sogar seinen Rücktritt hatte er angedeutet. Am Montag wollte er seine Gesandten nach Havanna schicken, wo sich die Farc-Führung aufhält. Die Niederlage ist ein harter Schlag für Santos, der sein gesamtes politisches Kapital für den Frieden in die Waagschale geworfen hatte, und stärkt Uribe, dessen Fraktion bei den letzten Regionalwahlen schlecht abgeschnitten hatte. Sandra Weiss

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