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Die künftige EU-Kommissionschefin von der Leyen empfing am Donnerstag in Brüssel Ungarns Regierungschef Orbán.

© AFP

Suche nach „pragmatischen Lösungen“: Von der Leyen und Orbán wollen “Neustart“ in Migrationspolitik

Die künftige EU-Kommissionschefin von der Leyen trifft Ungarns Regierungschef Orbán. Den Streit um die Flüchtlingspolitik wollen sie beilegen.

Die Spaltung zwischen Ost und West in der EU überwinden – das ist eines der wichtigsten Projekte für Ursula von der Leyen. Am Donnerstag bot sich für die künftige EU-Kommissionspräsidentin eine Gelegenheit dazu: Mehr als eine Stunde lang sprach sie in Brüssel mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orbán über ihre künftige Agenda. Von der Leyen, die am 1. November die Nachfolge von Jean-Claude Juncker antreten wird, twitterte anschließend, sie habe mit dem Gast aus Budapest ein „gutes Gespräch“ über ihre politischen Leitlinien geführt. Wie Orbán vertrete sie die Ansicht, dass es einen „Neustart“ und „pragmatische Lösungen“ bei der EU-Migrationspolitik geben müsse.

Raus aus der Blockierer-Rolle

Offenbar ist von der Leyen bemüht, dem ungarischen Regierungschef aus der Blockierer-Rolle innerhalb der EU herauszuhelfen, in die er sich in den vergangenen Jahren nicht zuletzt wegen seines strikten Kurses in der Migrationspolitik selbst hineinmanövriert hatte. Orbáns Weigerung, sich an einer Umverteilung von Flüchtlingen in der EU zu beteiligen, hatte zu einem Rechtsstreit vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) geführt. Vor knapp zwei Jahren hatte der EuGH geurteilt, dass Ungarn Flüchtlinge von Griechenland und Italien übernehmen müsse, wie dies auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise auf EU-Ebene beschlossen worden war. Allerdings hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) anschließend auch eingeräumt, dass der EU-Beschluss zur Flüchtlingsverteilung „mitnichten zu einer europäischen Befriedung geführt“ habe.

Angesichts der gesunkenen Flüchtlingszahlen wird es von Leyen möglicherweise leichter fallen als dem Noch-Kommissionschef Juncker, mit Orban in der EU-Migrationspolitik zu einem entspannteren Verhältnis zu kommen. Nichts ändern dürfte sich auch mit der neuen Kommissionschefin hingegen an der Tatsache, dass die Brüsseler Behörde den Mitgliedstaaten Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien nicht durchgehen lassen will. Die Rechtsstaatlichkeit sei entscheidend und gelte für alle Mitgliedstaaten, twitterte von der Leyen nach ihrem Treffen mit Orbán. Bei ihrer Bewerbungsrede vor dem Europaparlament hatte sie vor gut zwei Wochen gefordert, zusätzlich einen europäischen Rechtsstaatsmechanismus einzuführen. Dabei sollen sämtliche EU-Staaten regelmäßig auf den Prüfstand gestellt werden. Aus der Sicht von Staaten wie Polen und Ungarn, gegen die zurzeit Rechtsstaatsverfahren laufen, hätte ein solcher Mechanismus einen Vorteil: Sie müssten nicht mehr das Gefühl haben, als Einzige in der EU an den Pranger gestellt zu werden.

Ungarn will in der neuen Kommission eine wichtigere Rolle spielen

Dazu passt, dass Ungarn in der neuen EU-Kommission ein wichtigeres Ressort beansprucht als bisher. In den zurückliegenden fünf Jahren hatte der ungarische Fidesz-Politiker Tibor Navracsics das relativ unbedeutende Bildungsressort in Brüssel geleitet. Für seine Nachfolge hat Budapest den ehemaligen Justizminister László Trócsányi nominiert. Wie sich seine Nominierung zu von der Leyens Vorgabe verhält, dass die Hälfte der Kommission künftig aus Frauen bestehen soll, wird man sehen müssen. Jedenfalls kann man sich in Budapest laut ungarischen Medienberichten vorstellen, künftig das Portfolio für die Nachbarschaftspolitik zu übernehmen. Aber auch für das Thema Sicherheit war Ungarn schon im Gespräch. Bislang sitzt der Brite Julian King auf dem Posten des Sicherheitskommissars. Sein Stuhl dürfte aber voraussichtlich frei werden. Denn der britische Regierungschef Boris Johnson hat angekündigt, auf die Nominierung eines britischen Kommissars zu verzichten.

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