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Hygiene bestens, Abstand naja. Erstsemester an der Stuttgarter Universität Hohenheim.

© Sebastian Gollnow / dpa

Studium weiter von zu Hause aus: Das Semester beginnt – doch die Politik interessiert das nicht

Gerade Erstsemester haben es jetzt schwer: Warum nur scheint der Profi-Fußball der Politik wichtiger als das Studium zu sein? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Yannik Achternbosch

An den Berliner Universitäten beginnt am Montag das Wintersemester. Wegen Corona sind auch hier viele Dinge nach wie vor anders: Statt einer vollen U3 zur Freien Universität und gut gefüllten Bibliotheken in der ganzen Stadt muss man sich im kommenden halben Jahr auf Homeoffice und digitale Lehre einstellen.

Für viele Studierende verbindet sich damit verstärkt das Gefühl, vergessen worden zu sein. War es bisher diffus, wird es durch den Beschluss von Bund und Ländern aus der vergangenen Woche nun konkret. Die Wirtschaft, der Profisport sowie Kitas und Schulen werden explizit erwähnt, kein Wort findet sich zum Betrieb an Universitäten.

Ein Quäntchen Sorge um die Hochschulen zeigt immerhin der Berliner Senats. Er hat die Infektionsschutzverordnung der Lage entsprechend angepasst. Die wenigen Präsenzveranstaltungen werden weiter eingeschränkt: Pro Raum sind nur noch 25 Personen beziehungsweise 40 Personen in großen, ausreichend gelüfteten Hörsälen zulässig.

Das ist ein radikaler Unterschied zum bisherigen Alltag an den meisten Berliner Hochschulen. Viele Seminare sind seit Jahren überfüllt, zuletzt fanden teilweise Sitzungen statt, bei denen die Studierenden auf dem Boden oder auf der Heizung saßen. Teilnehmerzahlen von 80 und mehr Studierenden sind keine Seltenheit.

Büffeln auf der Couch der Kommilitonin

Auch analoge Einführungsveranstaltungen, für Erstsemester in einer neuen Stadt besonders wichtig, lassen sich unter diesen Bedingungen so gut wie nicht mehr durchführen: Im Wintersemester 2019/20 hatten sich über 3500 Studierende an der FU Berlin neu eingeschrieben. Nun also weiter online, Studium aus dem WG-Zimmer oder der Couch der Kommilitonin – die Wohnbedingungen haben sich nicht gerade verbessert.

An kleineren Universitäten im Rest der Republik gibt es immerhin Bemühungen, einen Teil an Präsenzlehre zu ermöglichen. Die Berliner Unis haben hier den Nachteil schierer Größe. Problematisch wird das Semester vor allem für Studierende, die – zumindest für den November – ihre ohnehin prekären Jobs in Cafés oder Bars verloren haben. Sie müssen sich jetzt wieder auf die verlängerte Nothilfe des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) bewerben.

[Mehr zum Thema: Unis, macht bitte das Beste aus dem Shutdown - ein Kommentar.]

Während die Lufthansa mit Milliarden gefördert wird, kommen Studierende nur unter Mühen an Geld: Ein Drittel der im Sommersemester gestellten Anträge auf monatlich 500 Euro Nothilfe wurde abgelehnt, weil die finanzielle Notlage keinen direkten Pandemie-Bezug habe.

Was aber, wenn man einen Computer mit aktuellem Betriebssystem anschaffen muss, um überhaupt gut gerüstet am Onlinesemester teilnehmen zu können? Während des Studiums ist es alles andere als selbstverständlich, Reserven für derartige Anschaffungen zu haben. Die Bazooka von Olaf Scholz hat bei Studierenden Ladehemmung.

Etikettenschwindel "Kreativsemester"

Nach den Erfahrungen des Sommersemesters sind die Erwartungen an das Wintersemester bei den Studierenden gering. Das zum „Kreativsemester“ ausgerufene Sommerhalbjahr war vor allem eines nicht: kreativ. Seminare und Vorlesungen hatten meist den gleichen Inhalt und Umfang wie gewohnt, nur sprachen technisch oft völlig überforderte Dozierende nicht in den vollen Hörsaal, sondern mit ihrem Laptop. Rücksichtnahme auf die geänderten Umstände, Offenheit für kreative Leistungen? Fehlanzeige.

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Während die Diskussion über die Wiederaufnahme der Fußball-Bundesliga geradezu omnipräsent war, wurden kaum Konzepte zur Wiederaufnahme eines Regelbetriebs an Universitäten besprochen. Maßnahmen zum Infektionsschutz sind sinnvoll und wichtig.

Der letzte Bund-Länder-Beschluss zeigt jedoch erneut, dass die Prioritäten nicht bei der Hochschulbildung liegen. Das nährt den Verdacht, dass die neu entfachte Begeisterung für die digitale Lehre nur die negativen Auswirkungen des Sparkurses der letzten Jahre kaschieren soll. Das Ideal guter Hochschulbildung scheint vergessen.

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