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Die Altenpflege benötigt Nachwuchs. Doch für die meisten Schüler sind sind solche Jobs nicht attraktiv genug.

© Christophe Gateau/dpa

Studie zu Pflegeberufen: Nur jeder 40. Schüler interessiert sich für Altenpflege

Nur sechs Prozent der Schüler können sich vorstellen, später mal in einem Pflegeberuf zu arbeiten. Sie fürchten schlechte Bezahlung und wenig Freizeit.

Die angekündigte Werbekampagne der Bundesregierung für den Pflegeberuf scheint dringend notzutun: Nach einer aktuellen Umfrage halten es nur sechs Prozent der Schüler für wahrscheinlich, später in einem solchen Job zu arbeiten. Und für die Altenpflege, wo Fachkräfte besonders gesucht werden, interessiert sich mit 2,6 Prozent gerade mal jeder Vierzigste.

Für die Studie, die dem Tagesspiegel vorliegt, wurden 1532 Schüler zwischen 14 und 18 Jahren befragt. Initiiert und ausgewertet hat sie das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP), eine gemeinnützige Stiftung in Berlin, die sich der Förderung von Altenhilfe und der Forschung darüber verschrieben hat. „Unsere Daten bestärken die Vermutung, dass das Ansehen der Altenpflege bei den meisten Schülern aktuell nicht gut ist“, kommentierte ZQP-Vorstandschef Ralf Suhr das Ergebnis. Es liege „auf der Hand, dass die Arbeitsbedingungen vielerorts dringend verbessert werden müssen, um für die heutigen Arbeitskräfte attraktiv zu sein“.

Abiturienten haben das geringste Interesse

Besonders unattraktiv erscheint die Altenpflege angehenden Abiturienten. Trotz immer höherer fachlicher Herausforderungen ist sie in dieser Schülergruppe nur für zwei Prozent ein bevorzugtes Berufsziel. Unter Hauptschülern und Jugendlichen, die eine mittlere Reife anstreben, liegt die Quote bei 3,4 Prozent. Und wie die Autoren schreiben, dürften diese Zahlen „das tatsächliche Arbeitskräftepotential für die Altenpflege noch überschätzen, da sich die meisten dieser Befragten ebenso sehr für mindestens einen anderen Pflegeberuf interessierten“.

Worauf das geringe Interesse für die Altenpflege zurückzuführen ist, lässt sich der Studie deutlich entnehmen. Nicht einmal zehn Prozent der Befragten verbinden mit solchen Jobs freie Wochenenden, gute Karriereaussichten und gute Bezahlung. Gleichzeitig sind ordentliche Gehälter und genug Freizeit für 90 Prozent wichtigste Kriterien bei der Berufswahl.

Wichtigste Kriterien: Ordentliche Bezahlung, genug Freizeit, gute Karrieremöglichkeiten

Hinzu kämen Möglichkeiten, um eigene Ideen einzubringen, gesunde Arbeitsbedingungen, gute Vorgesetzte, Anerkennung, selbstständige Arbeitsweise, gute Aufstiegschancen, regelmäßige Arbeitszeiten sowie die Möglichkeit, mit moderner Technik zu arbeiten – alles aus Befragtensicht „kritische Punkte“ für Jobs im Altenpflegesektor, wie die Autoren resümieren. Wobei sie betonen, dass solche Zuschreibungen keine Aussage über den tatsächlichen Berufsalltag zuließen. Dass eigene Erfahrungen der Schüler mit Pflegebedürftigen das Interesse an der Altenpflege in irgendeiner Weise beeinflussen, lässt sich der Studie jedenfalls nicht entnehmen.

Gleichwohl nimmt ZQP-Chef Suhr die Negativeinschätzung zum Anlass für einen Appell an Politik und Arbeitgeber. „Wer die Chance im Wettbewerb um guten Nachwuchs erhöhen will, muss sicherstellen, dass eine Ausweitung von Gestaltungsräumen und Verantwortungsbereichen in der Praxis für entsprechend qualifizierte Pflegeexperten schnell Realität werden“, sagt er. Und dass ein solches Jobprofil „dann auch regelhaft mit entsprechender Bezahlung einhergehen“ müsse.

In anderen Ländern ist der Beruf attraktiver

Tatsächlich sind andere Länder bei der Aufwertung des Pflegeberufs deutlich weiter. Zu diesem Ergebnis kommt eine weitere Studie, die am Dienstag veröffentlicht wurde. Während in Deutschland „meist am Prinzip der ärztlichen Delegation festgehalten“ werde, bei dem Pflegende als „verlängerter Arm des Arztes“ tätig seien, finde in Großbritannien, Schweden, den Niederlanden und Kanada eine „partnerschaftlich angelegte, teamorientierte und gesetzlich legitimierte Aufgabenneuverteilung“ statt. Das befördere „interessante Entwicklungsoptionen für Pflegende mit der Übernahme von mehr eigenverantwortlichen Aufgaben als hierzulande“, heißt es in der Analyse im Auftrag der Stiftung Münch unter Leitung von Michael Ewers, dem Direktor des Instituts für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Berliner Charité.

Allerdings sei die Übernahme von mehr Pflegeverantwortung in den Vergleichsländern „nicht zuletzt durch einen höheren Anteil an akademischen Pflegekräften möglich“, merken die Autoren an. Während hierzulande lediglich ein bis zwei Prozent der Pflege-Absolventen eines Jahrgangs ein Studium der Pflege abgeschlossen hätten, liege der Akademikeranteil in den Niederlanden bei 45, und in Schweden und Großbritannien sogar bei 100 Prozent. International sei ein Hochschulstudium auf Bachelorebene inzwischen oft „Voraussetzung für die Zulassung als Pflegefachperson“.

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