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Studie: Bundesverkehrsministerium erforscht NS-Geschichte

Vom Fahrverbot bis zu den Deportationen: Die Maßnahmen der Reichsbahn wurden vom gesamten Verwaltungsapparat mitgetragen.

Berlin - Das Reichsverkehrsministerium war mit hunderten Erlassen an allen Schritten der Ausgrenzung und Vernichtung von Juden beteiligt, hat ein ein Forschungsgutachten im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums ergeben. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und Charlotte Knobloch, die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, stellten die Studie am Dienstag in Berlin vor. Es ist die erste, die die antijüdische Politik des Ministeriums zwischen 1933 und 1945 untersucht.

1935 wurden die jüdischen Reichsbahnbeamten entlassen und den übrigen verboten, mit Juden zu verkehren oder gar „nichtarische“ Partner zu heiraten. Jüdische Schüler durften nicht mehr mit verbilligten Fahrkarten fahren, jüdische Familien bekamen keinen Rabatt mehr. Nach dem 9. November 1938 durften Juden nicht mehr in die Schlaf- und Speisewagen. Später entwickelte das Ministerium mit der Reichsbahn die Fahrpläne für die Deportationen in die Vernichtungslager. Die Maßnahmen seien vom gesamten Verwaltungsapparat mitgetragen worden. Widerstand habe es nur auf der Ebene der kleinen Eisenbahner gegeben, sagte Alfred Gottwald, einer der beiden Autoren der Studie.

Tiefensee und Knobloch begrüßten die Studie, weil sie zeige, wie die jüdische Bevölkerung lange vor der Vernichtung systematisch aus dem öffentlichen Leben herausgedrängt wurde und wie eine „reibungslos funktionierende Bürokratie“ dabei half. Es sei wichtig, über das Entstehen von Diktatur im Alltag nachzudenken, um heute darauf zu achten, dass die Demokratie nicht gefährdet wird, sagte Tiefensee. „Denn wir sehen, dass auch heute antisemitisches und ausländerfeindliches Gedankengut zunehmend in die Mitte der Gesellschaft rückt, von dem wir dachten, es sei überwunden.“ Bis heute sitzt ein Teil des Verkehrsministeriums in der Berliner Krausenstraße in einem Gebäude, das die Nazis einer jüdischen Familie weggenommen hatten. Über diese Problematik werde viel diskutiert im Ministerium, sagte Tiefensee.

Am Dienstag war zu erfahren, dass Ende Januar 2008 im Bahnhof Potsdamer Platz eine Ausstellung über die Rolle der Bahn bei der Deportation jüdischer Kinder beginnen soll. Die Schau wird von Historikern der Deutschen Bahn sowie Serge und Beate Klarsfeld erarbeitet. 2006 hatte es heftigen Streit zwischen Tiefensee und Bahnchef Mehdorn über den Ort der Ausstellung gegeben. Claudia Keller

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