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Der ehemalige Studentenführer Wang Dang lebt heute in den USA und in Taiwan.

© AFP

Studentenführer Wang Dan: „Ich muss für die sprechen, die gestorben sind“

Wang Dan war vor 30 Jahren auf dem Tiananmenplatz einer der Führer der niedergeschlagenen Demokratiebewegung. Heute träumt er von seiner Rückkehr nach China.

Wang Dan, Sie haben im März in Berlin auf einer Veranstaltung der Taiwan-Vertretung und der Deutsch-Chinesischen Gesellschaft gesagt, dass Sie weiter für eine politische Führungsrolle in China zur Verfügung stehen. Wie realistisch ist das für einen Studentenführer von 1989?

Es ist die Pflicht eines jeden Bürgers in jedem Land, sich für ein politisches Amt zu bewerben. Wenn also China eines Tages Wahlen haben sollte, dann ist das auch meine Pflicht. Und zwar auch gegenüber jenen, die 1989 gestorben sind. Ich habe ihnen gegenüber diese Verpflichtung. Ich muss für die sprechen, die gestorben sind, als sie jung waren.

Viele Chinesen können wegen der Zensur nicht hören und lesen, was Sie sagen. Was denken Sie darüber, dass die meisten jungen Chinesen aufgrund der staatlicher Informationskontrolle gar nicht wissen, was 1989 in Peking passiert ist?
Das interessiert mich nicht so sehr und das ist auch nicht so wichtig. Die meisten Chinesen wissen über den 4. Juni 1989 Bescheid, es ist nur die junge Generation, die nichts weiß. Die mittlere und alte Generation weiß es, und sie sind auch Chinesen. Wir beschäftigen uns so sehr mit der jungen Generation, aber in diesem Land gibt es viele Generationen. Ich glaube auch, dass wir in der Zukunft noch viele Gelegenheiten haben werden, um es den Jungen beizubringen.

30 Jahre nach dem Massaker sind die genauen Fakten immer noch nicht bekannt. Was glauben Sie, wie viele Menschen sind damals gestorben?
Wir kennen die genaue Zahl nicht, denn es gibt nur vage Informationen. Ich glaube, dass mindestens 2000 Menschen gestorben sind und 10 000 Menschen verletzt wurden. Aber die richtige Zahl kennt nur die chinesische Regierung.

Wie sehr belasten Sie heute noch die Ereignisse von vor 30 Jahren?
Es ist okay für mich. Ich bin Historiker und wenn man die Geschichte kennt, weiß man, dass es diese Art von Opfer immer gegeben hat. Ich sehe das als Opfer für die Demokratie.

Das klingt aber etwas distanziert.
Am Anfang hatte ich viele persönliche Gefühle, aber nun bin ich 50 Jahre alt. Außerdem bin ich eine öffentliche Figur, ich muss meine Gefühle zurückhalten. Ich will sie nicht ausdrücken, sondern für mich behalten.

Wang Dan war im Frühjahr 1989 einer der Anführer der Demokratiebewegung auf dem Tiananmenplatz.
Wang Dan war im Frühjahr 1989 einer der Anführer der Demokratiebewegung auf dem Tiananmenplatz.

© Fotos: Catherine Henriette/AFP

30 Jahre später regiert die Kommunistische Partei unverändert mit harter Hand. Hat sich Ihr Einsatz gelohnt?

Ja natürlich. Ich liebe mein Land. Ich denke, wenn ich es liebe, muss ich etwas tun, egal ob ich damit Erfolg habe oder nicht. Ich hatte zwar keinen Erfolg, aber ich habe wirklich etwas getan. Darauf bin ich stolz.

Wuer Kaixi, ein wie Sie im Exil lebender Ex-Studentenführer, versuchte mehrfach vergeblich, nach China einzureisen, um die Eltern zu sehen. Geht es Ihnen ähnlich?
Meine Eltern leben noch in Peking und werden alt. Früher haben sie mich öfters besuchen können in den Vereinigten Staaten oder in Taiwan, aber jetzt wird es aufgrund ihres Alters mehr und mehr unmöglich. Natürlich will ich nach China zurück. Ich habe deswegen auch schon mehrfach den UN-Menschenrechtsrat angerufen. Ich habe wirklich alles versucht, um nach China zurückzukommen. Wenn China es mir erlauben würde, ich würde sofort zurückgehen.

Wissen Sie eigentlich, dass Sie mit Ihren Studentenprotesten auch Deutschland bei der Wiedervereinigung geholfen haben?
Ich? Ich war doch in dieser Zeit im Gefängnis?

Ein Grund für die Zurückhaltung der DDR-Regierung im Herbst 1989 soll auch gewesen sein, dass sie nicht die gleichen blutigen Bilder erzeugen wollte wie die chinesische Regierung zuvor.
Ja, ich denke auch, dass ein Resultat des Tiananmen-Massakers das Ende des Kalten Krieges ist. Die Proteste endeten traurig für uns, aber sie waren gut für Europa. Ich habe auch eine Geschichte gehört, wonach beim Fall der Berliner Mauer ein Wachsoldat gesagt haben soll, er wolle nicht auf die Menschen schießen, weil er nicht wolle, dass sich das Tiananmen-Massaker wiederhole.

Sie haben also durchaus etwas erreicht…
…aber leider nicht für China. Das ist das Traurige.

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