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Politik: Struck: Bundeswehr in die ganze Welt

Radikale Reform macht mehr Auslandseinsätze möglich / Standorte werden geschlossen, 26 Milliarden gespart

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Berlin. Der Bundeswehr steht die radikalste Reform ihrer Geschichte bevor. „Mögliches Einsatzgebiet ist die ganze Welt“, sagte Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) am Dienstag bei der Vorstellung der neuen Struktur- und Rüstungsplanung. Darin ist die Streichung von Rüstungsvorhaben im Umfang von 26 Milliarden Euro vorgesehen. Über die bisherigen Pläne hinaus sollen weitere 100 Standorte geschlossen werden, die Truppenstärke soll um rund 35 000 auf etwa 250 000 Soldaten sinken. Struck plädierte erneut für die Wehrpflicht und kritisierte Familienministerin Renate Schmidt (SPD) für die von ihr mit ausgelöste Zivildienst-Debatte.

Von Sven Lemkemeyer

und Hans Monath

„Der neue Kurs für die Bundeswehr ist konsequent auf die wahrscheinlicheren Einsätze, nämlich auf Konfliktverhütung und Krisenbewältigung einschließlich des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus ausgerichtet“, sagte Struck. Dafür werde die Armee bis 2010 in Eingreifkräfte, Stabilisierungskräfte und Unterstützungskräfte aufgeteilt. Die Eingreifkräfte sollen 35 000 Soldaten umfassen und Kriegs- und Kampfeinsätze vorrangig im Rahmen von Nato und EU ausführen können. Auftrag der 70 000 Soldaten der Stabilisierungskräfte soll Friedenssicherung nach dem Vorbild des Balkan oder Afghanistans sein. Der Umfang dieser Truppe entspricht einer Verdoppelung der Kapazität. Der größte Teil – 137 500 Soldaten – soll als Unterstützungstruppe die Grundversorgung übernehmen.

Struck kündigte an, durch die neuen Einsatzaufgaben erhielten einige Rüstungsprojekte Vorrang, andere würden verschoben oder gestrichen. Rechnerisch entfielen damit 26 Milliarden Euro. Es würden aber keine bestehenden Verträge verletzt. Schadenersatzklagen werde es nicht geben.

Bis Ende 2004 wird über die Schließung weiterer etwa 100 Standorte entschieden, so dass von heute 621 nur noch rund 400 Standorte übrig bleiben werden. Gestrichen werden auch 10 000 Stellen ziviler Angestellter.

Nachdrücklich plädierte Struck für die Wehrpflicht. Ziel sei eine Gesamtstärke von 250 000 Soldaten, mindestens notwendig seien 240 000. Das bedeute, dass ohne Wehrpflicht bis zu 40 000 Zeit- und Berufssoldaten zusätzlich notwendig wären. Ihm habe noch niemand gesagt, wie das zu bezahlen wäre, betonte Struck. Deutlich kritisierte er Familienministerin Schmidt. Der Zivildienst folge der Wehrpflicht und nicht umgekehrt. Struck betonte, dass es sich bei seinem Konzept um Leitlinien handele. Mit einer Debatte im Parlament sei erst im Frühsommer zu rechnen.

CDU-Chefin Angela Merkel forderte in einem Brief an Kanzler Gerhard Schröder, dass Struck seine Pläne noch in dieser Woche im Bundestag erläutere. Es sei „ungeheuerlich“, dass Struck drastische Kürzungen bei Rüstungsprojekten plane, ohne ein Gesamtkonzept zu haben. Die Grünen sahen in Strucks Plänen einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Freiwilligenarmee. Sie kämen der Forderung ihrer Partei nach Abschaffung der Wehrpflicht entgegen, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Politiker von SPD und CDU warben für einen allgemeinen Pflichtdienst für Männer und Frauen. Der Stuttgarter Sozialminister Friedhelm Repnik (CDU) verlangte, die Chance für „ein allgemein verpflichtendes Gesellschaftsjahr“ zu nutzen.

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