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Alexander Lukaschenko (l), Präsident von Belarus, spricht bei einer Militärübung mit hochrangigen Offizieren.

© Andrei Stasevich/dpa

Streitkräfte in Gefechtsbereitschaft versetzt: Lukaschenko warnt vor einer Revolution in Belarus

Bei seinem Besuch sagt Lukaschenko, er sehe eine ernste Bewegung der Streitkräfte der Nato in unmittelbarer Nähe. Beweise für seine Thesen gibt es nicht.

Angesichts der Proteste der Demokratiebewegung in Belarus (Weißrussland) hat Staatschef Alexander Lukaschenko bei einem Militärbesuch vor einer Revolution im Land gewarnt. Er versetzte die Streitkräfte am Samstag der Staatsagentur Belta zufolge in volle Gefechtsbereitschaft. „Wir sehen eine ernste Bewegung der Streitkräfte der Nato in unmittelbarer Nähe unserer Grenzen auf den Gebieten Polens und Litauens“, sagte er. Es werde vom Ausland versucht, Belarus eine Revolution aufzuzwingen. Beweise für Lukaschenkos Thesen gibt es nicht.

Er war zuvor auf einem Truppenübungsplatz in der Nähe von Grodno im Westen des Landes gelandet und besuchte ein Panzerbataillon und eine Raketen-Division. Es müssten die „härtesten Maßnahmen“ getroffen werden, um die Einheit des Landes zu bewahren, sagte der Staatschef, der eine Uniform trug. Der Westen habe das Ziel, sich die Region mit dem Zentrum Grodno einzuverleiben. In der Region wehten schon polnische Flaggen, meinte er. „Das Vaterland ist in Gefahr“, hatte er am Freitag gesagt.

Kritiker werfen Lukaschenko vor, grundlos Spannungen zu schüren und die „militärische Karte“ zu spielen, um von der schweren innenpolitischen Krise im Land abzulenken. Sie befürchten die Errichtung einer Militärdiktatur. Auf dem zentralen Markt in Minsk bildeten Frauen eine Menschenkette aus Protest gegen die Fälschung der Präsidentenwahl am 9. August und gegen Lukaschenkos „Diktatur“. „Wie wollen nicht in Nordkorea leben“, war auf dem Transparent einer Frau zu lesen, die sagte, dass sie es satt habe, in Angst zu leben.

Immer wieder gingen Männer, die Lukaschenko unterstützen, auf die Frauen zu und beschimpften sie. Lukaschenko drohte bei seinem Besuch in der Stadt Grodno, wo seine Gegner besonders stark sind, hart durchzugreifen. Er setzte den Ex-Gesundheitsminister Wladimir Karanik als neuen Gouverneur des Gebietes ein, nachdem die Region sich auf die Seite der Opposition geschlagen hatte.

Lukaschenko warnt die Kirchen im Land

Und er warnte die Kirchen im Land davor, sich in die politische Krise einzumischen. Von Montag an sollten in der Region alle Staatsbetriebe, in denen gestreikt wird, geschlossen bleiben. Die aufgeheizte Stimmung in der Stadt solle sich erst einmal abkühlen, meinte er. Er wies Innenministerium und den Geheimdienst KGB an, für Ordnung zu sorgen.

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Die Lage ist auch deshalb gespannt, weil Hunderte bei Protesten Festgenommene in den Gefängnissen aufs Brutalste misshandelt wurden. Das Entsetzen darüber ist in der Bevölkerung groß, die diese Fotos und Videos im Internet sieht. Das Staatsfernsehen zeigt die Spuren der Misshandlungen, die international Protest auslösten, nicht. Lukaschenko behauptete, 60 Prozent der Aufnahmen seien „inszeniert“. Die Proteste würden von den EU-Nachbarländern Polen und Litauen gesteuert. Beweise dafür lieferte er aber nicht.

Täglich gehen Demonstrantinnen und Demonstranten landesweit auf die Straßen.
Täglich gehen Demonstrantinnen und Demonstranten landesweit auf die Straßen.

© Evgeniy Maloletka/dpa

Die Opposition hatte zu landesweiten Streiks gegen Lukaschenko aufgerufen. Seither droht der Machtapparat den Menschen, ihnen zu kündigen und ihnen nie wieder Arbeit zu geben. Lukaschenkos Gegner haben für Bedürftige einen Solidaritätsfonds gegründet.

Swetlana Tichanowskaja ruft dazu auf, an dem friedlichen Marsch für die Freiheit teilzunehmen

Seit der umstrittenen Präsidentenwahl am 9. August gibt es Proteste und Streiks im ganzen Land gegen Lukaschenko. Er hatte sich nach 26 Jahren an der Macht mit 80 Prozent der Stimmen zum sechsten Mal in Folge zum Sieger der Abstimmung erklären lassen. Die Opposition beansprucht dagegen den Wahlsieg für die Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja. Lukaschenko behauptete, die Nato wolle ihre Machtübernahme durchdrücken.

Swetlana Tichanowskaja, ehemalige Kandidatin für die Präsidentschaftswahlen in Belarus.
Swetlana Tichanowskaja, ehemalige Kandidatin für die Präsidentschaftswahlen in Belarus.

© Mindaugas Kulbis/dpa

Die 37-Jährige rief aus ihrem Exil im EU-Land Litauen die Menschen auf, sich an dem friedlichen Marsch für die Freiheit und ein neues Belarus an diesem Sonntag zu beteiligen. „Wir werden siegen“, sagte sie in einer Videobotschaft. Am vergangenen Sonntag waren Hunderttausende Menschen auf den Straßen des Landes, um für einen Rücktritt Lukaschenkos und für Freiheit zu demonstrieren. Unterstützer Lukaschenkos kündigten ebenfalls Straßenaktionen an.

In Belarus waren erneut Dutzende Seiten unabhängiger und regierungskritischer Medien blockiert oder nur schwer abrufbar. Die Belarussische Vereinigung der Journalisten forderte die Führung des Landes auf, den Druck auf die Medien zu beenden und eine freie Berichterstattung zuzulassen. Die Zensur müsse aufhören, schrieb die Organisation. (dpa)

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