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Zwar Jurist, aber dennoch bald ohne Amt: Innenminister Thomas de Maizière hat kurz vor Schluss die Qualifikation seines möglichen Nachfolgers in Frage gestellt.

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Streit ums Innenministerium: Von "Erfahrungsjuristen" und echten Abschlüssen

Sollte ein Bundesinnenminister Jurist sein? Der Noch-Amtsinhaber stellte seinem designierten Nachfolger und Nicht-Juristen in der Frage gemein ein Bein. Und recht hat er auch nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Der Abschied aus Regierungsämtern geht zunehmend unpreußisch vonstatten. Noch-Außenminister Sigmar Gabriel unterbrach seinen Besuch in München, um im Berliner Haus des Springer-Verlags etwas vom Yücel-Entlassungsglanz auf sich abstrahlen zu lassen – und sich damit gleich wieder zu bewerben. Ist Ehrlichkeit nicht das, was von Politikern verlangt wird? Es ist auch ehrlich, am Job zu kleben.

Noch-Innenminister Thomas de Maizière, ein Mann mit einem Vierteljahrhundert Exekutive auf dem Buckel, hatte sich der eigenen Entbehrlichkeit nur kurz ergeben, um dann zu erklären, dass er selbst schwer verzichtbar und der Nachfolger überfordert sei. Horst Seehofer traue sich viel zu mit dem neuen Zuschnitt seines Innen-, Bau- und Heimatministeriums. Zudem mangele es ihm an Qualifikation.

Statt das näher zu erläutern, sprach der Scheidende davon, es sei „für einen Verfassungsminister doch sehr hilfreich, wenn er Jurist ist“. Eine Anspielung für Kundige. Als Verfassungsminister gelten diejenigen Kabinettsmitglieder, die von der Geschäftsordnung der Regierung mit einem Widerspruchsrecht gegen Beschlüsse ausgestattet werden, die gegen geltendes Recht verstoßen; es sind der Innen- und der Justizminister. Anwendungsfälle sind unbekannt. Die vollziehende Gewalt ist laut Grundgesetz ohnehin an das Recht gebunden. Es ist nichts Besonderes, sich an Recht zu halten. Millionen Bürger tun es. Sogar Seehofer.

Die Minister lassen sich von Juristen helfen, das reicht

Worauf zielte de Maizière? Zunächst wohl auf eine empfindliche Stelle des Bayerischen Ministerpräsidenten. Seit Jahren spricht der gelernte Verwaltungsbeamte von sich selbst als „Erfahrungsjuristen“. Der CDU-Rechtspolitiker Günter Krings hatte sich darüber schon im Bundestag lustig gemacht. Seinem Justizminister in Bayern, Winfried Bausback, erklärte Seehofer zu dessen Ernennung, dass er es sei, der am Ende stets Recht behalte, nicht die studierten Juristen.

Tatsächlich wird die Qualifikation überschätzt, wenn es um die Amtsausübung an der Spitze geht. In den Ministerien laufen Heerscharen von Juristen herum, die nichts anderes tun, als die Lok der Staatsgewalt auf dem rechten Gleis zu halten. Seehofer könnte sie fragen, wenn er als Verfassungsminister im Kabinett mal kompetent widersprechen will.

Vermutlich wollte de Maizière auf anderes hinaus. Möglicherweise auf eine der wichtigeren Aufgaben von Juristen, die Entschleunigung. Politiker wie Seehofer stürmen voran, Verfassungsminister wie de Maizière zögern. Ein Seehofer ist zuständig für Ansagen, ein de Maizière eher für die Nachlese. Der eine überredet, der andere überzeugt. Ein Indiz dafür ist de Maizières klare Antwort auf die Heimat-Frage: „Der Staat schafft diese Heimat nicht.“ Einem Erfahrungsjuristen im Ministeramt kann es trotzdem gelingen. Erfahrungsjuristen können alles.

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