zum Hauptinhalt
Warnt die SPD: Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesvorsitzende der CDU.

© Michael Kappeler/dpa

Update

Streit um von der Leyen: Kramp-Karrenbauer warnt SPD vor „maximaler Belastung“ der Koalition

Die SPD gerät wegen der Ablehnung von der Leyens unter Druck. Schäuble spricht über Minderheitsregierung. Europäische Sozialdemokraten gehen auf Distanz.

Gleich von mehreren Seiten gerät die SPD wegen ihrer Entscheidung unter Druck, Ursula von der Leyen (CDU) nicht als neue EU-Kommissionspräsidentin zu akzeptieren. CDU und CSU warnten am Sonntag die Sozialdemokraten davor, die Wahl der Verteidigungsministerin in das Brüsseler Spitzenamt zu hintertreiben.

Sollte von der Leyen wegen des Agierens der SPD im Europaparlament scheitern, wäre das "auf jeden Fall eine maximale und massive Belastung der Regierungsarbeit und der Koalition", sagte die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer im Sommerinterview des ZDF. Doch auch die europäischen Sozialdemokraten gingen auf Distanz: Sie wollen von der Leyen nicht von vornherein ablehnen, sondern sie erst anhören.

Kramp-Karrenbauer sagte, eine Niederlage von der Leyens würde auch zu einem großen Konflikt zwischen dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament führen. "Das schwächt die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union." Wer eine solche Linie fahre, schwäche am Ende auch deutsches Interesse - das könne nicht im Sinn einer Regierungspartei sein.

Angesichts des erneuten Streits in der großen Koalition brachte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble sogar eine Minderheitsregierung ins Gespräch. "Wenn die SPD nach internen Debatten die Koalition vor dem Ende der Wahlperiode verlassen will, sollte die Union allein weiterregieren", sagte der CDU-Politiker der "Bild"-Zeitung. Große Koalitionen sollten "eigentlich nur Ausnahmen sein".

Schäuble forderte laut Vorabbericht vom Sonntag: "Umso mehr muss die Bundesregierung jetzt darauf achten, nicht nur emsig den Koalitionsvertrag abzuarbeiten. Das allein erreicht die Menschen nicht mehr." Zu den schlechten Umfragewerten der SPD sagte Schäuble: "Totgesagte leben länger."

Von Wolfgang Schäuble unterstützt: Ursula von der Leyen (CDU), hier ein Archivbild aus dem Jahr 2011.
Von Wolfgang Schäuble unterstützt: Ursula von der Leyen (CDU), hier ein Archivbild aus dem Jahr 2011.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Auch CSU-Chef Markus Söder warnte die Sozialdemokraten davor, der Personalie nicht zuzustimmen. "Ich kann der SPD nur raten, nicht gleich den nächsten schweren Fehler zu begehen", sagte Bayerns Ministerpräsident dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Sollte die Besetzung des Chefpostens der EU-Kommission mit von der Leyen scheitern, "haben wir einen europäischen Totalschaden", betonte Söder. "Wir müssen verhindern, dass es zu einer monatelangen europäischen Krise und Blockade der Institutionen kommt."

Dass die SPD sauer ist, kann ich verstehen. Aber beleidigt sein ist kein Maßstab für sinnvolles Handeln. Die SPD-Vorderen sollten sich überlegen, ob sie jetzt den Corbyn geben wollen und Brexit-ähnliche Verhältnisse in der EU heraufbeschwören wollen. In England hat das Labour bisher nicht viel gebracht.

schreibt NutzerIn Gophi

Europäische Sozialdemokraten geben von der Leyen eine Chance

Die europäischen Sozialdemokraten schließen eine Wahl von der Leyens zur EU-Kommissionschefin hingegen nicht aus. Sie wolle von der Leyens Eignung für die Spitzenposition "nicht beurteilen, bevor wir ihr zugehört haben", sagte die Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Iratxe Garcia, der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS). Damit ging die Spanierin auf Distanz zur SPD. Prominente deutsche Sozialdemokraten lehnen die Wahl der CDU-Politikerin ab.

Zwar spreche es nicht für von der Leyen, dass die Regierungen Italiens und der Visegrad-Staaten Polen, Tschechien, Ungarn und Slowakei ihre Nominierung unterstützt hätten. "Wir werden die Person aber nicht beurteilen, bevor wir ihr zugehört haben", sagte Garcia der "FAS".

Am Mittwoch stellt sich von der Leyen der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament vor. "Wir werden dann ja sehen, wie viel ihr daran liegt, die Werte der Europäischen Union zu bewahren", sagte Garcia weiter. Mehrere prominente SPD-Politiker hatten zuvor eine Wahl von der Leyens ausgeschlossen. Sie kritisieren vor allem, dass bei der Nominierung des Kommissionspräsidenten keiner der Spitzenkandidaten aus dem Europawahlkampf zum Zuge kam.

Der SPD-Delegationsleiter im EU-Parlament, Jens Geier, hatte direkt nach von der Leyens Nominierung durch die Staats- und Regierungschefs erklärt, die Europa-SPD werde "diesem Vorschlag auf keinen Fall zustimmen". Auch der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner rechnete weiter mit einer einhelligen Ablehnung der Personalie. Er nehme "derzeit auch niemanden wahr, der das anders sieht", sagte Stegner der "FAS".

Der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel legte seiner Partei sogar einen Koalitionsbruch nahe. Dies lehnte jedoch die kommissarische Parteivorsitzende Malu Dreyer ab. Sie ist der Meinung, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe sich mit ihrer Enthaltung bei der EU-Abstimmung über die Nominierung von der Leyens "vertragstreu" verhalten. In der "Bild am Sonntag" bekräftigte sie, "man muss nicht bei jedem Streit gleich die Koalitionsfrage stellen".

Nur drittgrößte Gruppe in der Fraktion

Die Stimmen der europäischen Sozialdemokraten, die die zweitgrößte Fraktion im EU-Parlament stellen, sind entscheidend für die Wahl von der Leyens. Die konservative Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) geht aber trotz der ablehnenden Haltung der SPD davon aus, dass die Mehrheit der europäischen Sozialdemokraten der deutschen Kandidatin bei der Abstimmung am 16. Juli ihre Stimme geben wird.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und der noch amtierende Kommissionschef Jean-Claude Juncker.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und der noch amtierende Kommissionschef Jean-Claude Juncker.

© Francois Lenoir/REUTERS

Die SPD stellt nur noch die drittgrößte Gruppe in der Fraktion, nach den Italienern und den Spaniern. Diese Abgeordneten fühlen sich dem von den Regierungen der EU-Staaten verhandelten Personalpaket stärker verpflichtet. Der italienische Sozialdemokrat David-Maria Sassoli wurde bereits zum neuen EU-Parlamentschef gewählt; der spanische Sozialist Josep Borrell ist für die Position des EU-Außenbeauftragte vorgesehen.

Unter Berufung auf EVP-interne Schätzungen schreibt die "FAS", dass mindestens 120 der 153 sozialdemokratischen EU-Abgeordneten von der Leyen ihre Stimme geben könnten.

Eine Mehrheit der Deutschen steht von der Leyen skeptisch gegenüber. 56 Prozent der Befragten meinen im aktuellen ARD-"Deutschlandtrend", die jetzige Verteidigungsministerin wäre keine gute Kommissionspräsidentin. Ein Drittel hält sie für eine gute Wahl. (AFP, Reuters)

Zur Startseite