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Der frühere EU-Kommissionschef José Manuel Barroso.

© REUTERS

Streit um Verhaltenskodex: EU-Parlament friert Bezüge von Ex-Kommissaren ein

Das EU-Parlament will einen Teil der Bezüge ehemaliger Kommissare nach dem Ende von deren Mandat einfrieren – eine Reaktion auf mehrere Skandale. EurActiv Frankreich berichtet.

Das EU-Parlament hat sich entschieden, gegen das Fehlverhalten einzelner ehemaliger Kommissare vorzugehen. Die Abgeordneten wollen nicht länger auf eine Reaktion der EU-Kommission auf die unterschiedlichen Affären warten. Stattdessen nahmen sie nun selbst das Heft in die Hand und beschlossen, die Zahlung der Bezüge von Ex-Kommissaren teilweise auszusetzen. Damit reagierten auf die Affären um die Ex-Kommissarinnen Neelie Kroes und Connie Hedegaard sowie den früheren Kommissionschef José Manuel Barroso.

Auf diese Weise wollen sie die EU-Kommission dazu drängen, gegen mögliche Interessenkonflikte früherer Kommissare, die in die Wirtschaft wechseln, strikter vorzugehen. Sie dringen auf eine Verschärfung des Verhaltenskodex für EU-Kommissare, der den möglichen „Seitenwechsel“ regelt. „Alle sind sich einig, dass die EU-Kommission ernsthafte Vorschläge darüber vorlegen sollte, wie man den Verhaltenskodex stärken und die Karenzzeit der Kommissare verlängern könnte“, betonte der französische Europaabgeordnete Pascal Durand (Grüne).

Parlamentarier wollen längere „Abkühlphase“ für Ex-Kommissare

Ehemalige Kommissare müssen die EU in den ersten 18 Monaten nach Mandatsende über eventuelle neue Arbeitsstellen in Kenntnis setzen. Die Abgeordneten schlagen einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren vor. Um diese Veränderungen bei der Kommission durchzusetzen, legen sie nun also die Zahlung der Bezüge für die ehemaligen Kommissare auf Eis. „Wir möchten die Kommission zum Handeln drängen. Im Gegenzug bekommt sie wieder Zugriff auf den Haushalt, der für die Bezüge ehemaliger Kommissare vorgesehen ist“, erklärte Durand.

In dem Änderungsantrag der Grünen-Fraktion im EU-Parlament hieß es außerdem, die Kommission müsse „einen strikteren Verhaltenskodex durchsetzen, um Interessenkonflikte und den Drehtüreffekt zu verhindern“. Am vergangenen Mittwoch wurde dieser Vorschlag von einer breiten Mehrheit im Parlament verabschiedet. „Immer mehr Parlamentsmitglieder sind sich der Situation bewusst. Keine einzige Fraktion hat gegen den Vorschlag gestimmt oder sich enthalten – nicht mal der Front National“, sagte Durand.

Bezüge in Höhe von einer halben Million Euro eingefroren

Der Vorschlag, der als Teil des EU-Haushalts für das kommende Jahr angenommen wurde, friert Bezüge in Höhe von einer halben Million Euro ein. Ursprünglich war die Summe als Zahlung an ehemalige Kommissare gedacht. Dies wird direkten Einfluss auf Barroso, Kroes und Hedegaard haben, deren Wechsel in die Wirtschaft die Vorgängerkommission stark in Verruf brachte.

Der portugiesische Ex-Kommissionspräsident Barroso hatte eine Stelle bei der amerikanischen Investitionsbank Goldman Sachs angenommen, während die ehemalige Digitalisierungskommissarin Kroes zu Uber ging und später in den Bahama-Leaks-Skandal verwickelt wurde. Ex-Klimakommissarin Hedegaard untergrub die Glaubhaftigkeit der Kommission weiter, als sie zu Volkswagen wechselte.

Da die Übergangsbezüge jedoch nur über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg gezahlt werden, wird sich ihr teilweises Einfrieren nur minimal auf die drei in die Kritik geratenen Ex-Kommissionsmitglieder auswirken. Denn ihr Mandat endete schon im November 2014. Betroffen sind also vor allem die Kommissare der gegenwärtigen Kommission unter der Leitung des Luxemburgers Jean-Claude Juncker, die ihren Posten vorzeitig verlassen haben. Darunter sind der Brite Jonathan Hill, der sein Amt nach dem Brexit-Votum niederlegte, und die bulgarische Kommissarin Kristalina Georgieva, die am vergangenen Freitag ihren Rücktritt ankündigte, um eine Stelle bei der Weltbank anzunehmen.

Kommission zeigt wenig Ehrgeiz bei Reform des Verhaltenskodex

Die Kommission scheint jedoch nicht gewillt zu sein, den Verhaltenskodex zu überarbeiten. Bei einer Parlamentsdebatte zu den Interessenkonflikten erteilte Währungskommissar Pierre Moscovici Forderungen dieser Art Anfang Oktober eine Absage. Die bestehenden Vorschriften seien ohnehin die strengsten, die er kenne, argumentierte der Franzose.

Ethikkomitee gibt Barroso grünes Licht

Am vergangenen Montag meldete sich dann auch der Ethik-Ausschuss der Kommission zu Wort. Das Gremium kam zu dem Schluss, dass Ex-Kommissionspräsident Barroso nicht gegen bestehende Ethik-Vorschriften verstoßen habe. „Aus den vorliegenden Informationen […] lassen sich keine ausreichenden Gründe für einen Verstoß gegen die Vorschrift der Ehrenhaftigkeit und Zurückhaltung finden“, lautete das Fazit des Komitees.

Übersetzung: Jule Zenker
Erschienen bei EurActiv.

Der europapolitische Onlinemagazin EurActiv und der Tagesspiegel kooperieren miteinander.

Cécile Barbière

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