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Wer lacht zuletzt? Der scheidende Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, mit Kandidatin Ursula von der Leyen.

© ranFotFcois Walschaerts/AFP

Streit um Ursula von der Leyen: "Die Demokratie ist nicht geschreddert worden"

Wie geht es weiter bei der Wahl des Kommmissionschefs? Ein Gespräch mit Josef Janning über das Spitzenkandidaten-Prinzip und von der Leyens Erfolgsaussichten.

Von Hans Monath

Josef Janning leitet das Berliner Büro des Thinktanks European Council on Foreign Relations. Mit ihm hat Hans Monath über die Folgen der Kür von Ursula von der Leyen als künftige EU-Kommissionschefin und über die Demokratie in der EU generell gesprochen.

Herr Janning, hat die SPD Recht, wenn sie beklagt, die Demokratie in Europa nehme schweren Schaden, weil nun kein Spitzenkandidat Kommissionschef werden soll?

Nein. Es stimmt, dass ein Versprechen abgegeben worden ist, das nicht eingehalten wurde. Wir vom ECFR haben mehrere Umfragen durchführen lassen. Dabei kam heraus: Stärkstes Motiv, zur Wahl zu gehen, war nicht die Möglichkeit, einen Spitzenkandidaten zu wählen, sondern die Sorge um ein Auseinanderbrechen der EU.

Hat die Aufgabe des Spitzenkandidaten-Prinzips die Demokratie in Europa beschädigt?

Nein. Es stimmt nicht, dass die Demokratie in Europa gleichsam geschreddert worden ist, weil das Spitzenkandidaten-Prinzip nicht zum Zug kam. Es war absehbar, dass es nicht funktionieren würde, auch weil die Europäische Volkspartei und die Sozialdemokraten ihre gemeinsame Mehrheit verloren hatten und anders als vor fünf Jahren mit Jean-Claude Juncker kein Spitzenkandidat zur Verfügung stand, den eine Mehrheit im Rat der Staats- und Regierungschefs für geeignet hielt. Ich halte andere Schritte als dieses Prinzip für nötig, um die Demokratie in der EU zu stärken.

Welche Schritte?

Man müsste ein einheitliches Wahlrecht schaffen und versuchen, eine Gleichheit der Stimme herzustellen. Das Europäische Parlament ist nach den Verfassungen der Mitgliedstaaten kein sauber legitimiertes Parlament, weil wegen der Gewichtung der Stimmen nicht jede Stimme gleich viel zählt. Wichtiger als das Spitzenkandidaten-Prinzip wäre ein Initiativrecht, also die Möglichkeit aus eigenem Antrieb Gesetzgebung vorzunehmen. Und natürlich ein Budgetrecht, selbst wenn es nur die Möglichkeit wäre, eine Europasteuer einzuführen und über deren Verwendung zu entscheiden.

Was taugt Emmanuel Macrons Vorschlag, transnationale Listen für die Wahl einzuführen?

Der Vorschlag ist älter als Macrons Präsidentschaft, auch wenn der französische Präsident ihn nun modifiziert hat. Wenn man ein einheitliches Wahlrecht schafft, würde sich das fast zwingend ergeben. Dann könnte man Wahlkreise einrichten, die über nationale Grenzen hinweggehen. Macron will zusätzlich europaweite Wahlkreise, dann könnten sich Wähler entscheiden, ob sie ihr Kreuz auf einer nationalen Liste oder einer europäischen machen. Ein Spitzenkandidat könnte dann tatsächlich in allen Mitgliedstaaten gewählt werden. Manfred Weber stand ja nur in Bayern zur Wahl, weil die CSU nur dort angetreten ist.

Würde das nicht ein Sprachproblem heraufbeschwören?

Kandidaten müssten dann in einer Sprache für sich werben, die möglichst viele Wähler verstehen.

Welche Vorschläge könnte Ursula von der Leyen zur Demokratisierung der EU unterbreiten, die Aussicht auf Erfolg haben?

Sie hat ja bereits zugesichert, dass sie sich als Präsidentin der Kommission bemühen würde, im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu einer Verbesserung des Spitzenkandidatenprinzips zu kommen. Dann kann sie eine engere Beteiligung des Europäischen Parlamentes bei der Erarbeitung des Schwerpunktprogramms der Kommission anbieten. Wenn das EU-Parlament beschließt, dass es vor dem jährlichen Bericht zur Lage Europas eine große Debatte führen will, könnte sie anbieten, dass die Kommission daran teilnimmt und dann auf die Forderungen der Parlamentarier antwortet. Das geschieht jetzt zwar schon, ist aber informell. Frau von der Leyen könnte anbieten, das zu institutionalisieren – das würde die Bedeutung des Parlaments stärken.

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