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Sahra Wagenknecht (links), Katja Kipping Anfang Juni auf dem Bundesparteitag in Leipzig.

© Britta Pedersen/dpa

Streit um Sammlungsbewegung: Linken-Reformer werfen Wagenknecht „Querschüsse“ und „Entgleisungen“ vor

Sahra Wagenknecht trommelt noch immer für ihre linke Sammlungsbewegung. Der Reformerflügel in der Linken geht sehr deutlich auf Distanz.

Von Matthias Meisner

Botschaft und Bild erschienen der thüringischen Linken-Landtagsabgeordneten Katharina König-Preuss dann doch zu geschönt. Die Linksfraktion im Bundestag hatte am Montagabend auf Twitter ein Gruppenfoto drei zufriedener Linken-Spitzenpolitiker verbreitet: Bodo Ramelow, Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht beim Sommerfest der thüringischen Landesvertretung in Berlin. Dazu der Text, laut dem sich der Erfurter Regierungschef und die beiden Fraktionsvorsitzenden "einig" seien: "Der Machtkampf um das Merkel-Erbe und der einhergehende Rechtsschwenk in der Union machen eine starke geeinte Linke notwendiger denn je - für einen sozialen Neustart in Deutschland und für eine friedliche Außenpolitik."

Einig? Irritiert fragte König-Preuss zurück: "Gab's auch ne Einigung zum Rechtsschwenk bei Frau Wagenknecht? Frage für viele Freund*innen."

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Tatsächlich kann zwei Wochen nach dem Linken-Bundesparteitag in Leipzig von Einigkeit unter Linken-Spitzenpersonal kaum die Rede sein. Und erst recht nicht mehr, als am Montag ausgerechnet im Springer-Blatt "Die Welt" ein Gastbeitrag von Wagenknecht erschien, in dem sie für die von ihr und ihrem Gatten Oskar Lafontaine forcierte linke Sammlungsbewegung warb.

Darin Kritik an allen etablierten Parteien, welche "die glitzernde Hülle linksliberaler Werte übergestreift" hätten, sich so ein Image von moralischer Integrität geben würden. Die Fraktionsvorsitzende schrieb: "Weltoffenheit, Antirassismus und Minderheitenschutz sind das Wohlfühl-Label, um rüde Umverteilung von unten nach oben zu kaschieren und ihren Nutznießern ein gutes Gewissen zu bereiten."

Erneut versuchte Wagenknecht, Geflüchtete auszuspielen gegen das deutsche Prekariat. "Die Aufnahme Hunderttausender Zuwanderer, vor allem in den Jahren 2015 und 2016, hat akute Probleme wie den Mangel an Sozialwohnungen und Kita-Plätzen oder die hoffnungsvolle Überforderung von Schulen in sozialen Brennpunkten weiter verschärft." Es sei wenig erstaunlich, "dass sich gerade Ärmere und Abstiegsgefährdete von einer Fassadendemokratie abwenden, die ihnen täglich demonstriert, dass ihre Bedürfnisse kein Gewicht mehr haben".

Schon den Leipziger Parteitagsbeschluss mit der Forderung nach "offenen Grenzen" wollte Wagenknecht in ihrem Sinne interpretieren. Es gehe nur um offene Grenzen für Asylberechtigte, meinte sie.

Kippelt die strategische Allianz von Bartsch und Wagenknecht?

Wagenknecht steht regelmäßig in Konfrontation zu vielen Linken-Spitzenpolitikern, allen voran Parteichefin Katja Kipping. Diesmal aber kritisierten sie auch viele aus dem Reformerlager - obwohl Ko-Fraktionschef Dietmar Bartsch mit Wagenknecht nach der gemeinsamen Wahl 2015 an die Fraktionsspitze eine strategische Allianz eingegangen ist.

Der Berliner Kultursenator und frühere Linken-Landeschef Klaus Lederer warf Wagenknecht auf Facebook vor, sie erkläre die verbleibenden Linksliberalen zumindest rhetorisch zum Hauptfeind, anstatt zu versuchen, mit ihnen Mehrheiten, auch parlamentarische, für Solidarität und Bürgerrechte zu gewinnen. Lederer weiter: "Ich bin aber dankbar für die klare Markierung der Scheidelinie, die Sahra und mich trennt. Ich werde mich nicht zurückhalten oder mich gar dafür denunzieren lassen, soziale und demokratische Freiheit und Menschenrechte zusammen zu denken."

Die ehemalige Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak nahm den Namensartikel von Wagenknecht in ihrem Blog Satz für Satz auseinander. Zum Begriff "Fassadendemokratie" schrieb Wawzyniak: "Eine Wortwahl, die bei aller notwendiger Kritik am Parlamentarismus eine Demokratieverachtung erkennen lässt, die mich erschreckt."

"Haltloser Unfug"

Besonders ungewöhnlich war die scharfe Distanzierung des offiziellen Reformer-Bündnisses "Forum demokratischer Sozialismus" (FDS), in dem sich unter anderem der Außenpolitiker Stefan Liebich engagiert. Es erkannte im Wagenknecht-Text "haltlosen Unfug", von "Querschüssen" war die Rede. Das Engagement Tausender für Geflüchtete werde diffamiert, heißt es in einer Erklärung. Und: "Derartige Entgleisungen sind ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die sich für Weltoffenheit, Antirassismus und Minderheitenrechte engagieren."

Die anhaltende Treue von Bartsch zu Wagenknecht hatte kurz vor dem Leipziger Parteitag dazu geführt, dass mehrere führende Reformer wie die Berliner Fraktionschefs Carola Bluhm und Udo Wolf, die brandenburgische Landesvorsitzende Anja Mayer und die stellvertretende Berliner Parteichefin Sandra Brunner das FDS verlassen hatten.

Wie es mit der linken Sammlungsbewegung von Wagenknecht und Lafontaine vorangeht, bleibt derzeit unklar. Als Unterstützer zu erkennen gegeben hatte sich der Dramaturg Bernd Stegemann vom Berliner Ensemble. Andere potenzielle Unterstützer wie Konstantin Wecker, Antje Vollmer und Ingo Schulze ließen bisher offen, ob und wie sie sich engagieren wollen. Der Start des Projekts, zunächst noch vor der Sommerpause geplant, war vor einigen Wochen auf September verschoben worden - wie es hieß, fürchten die Initiatoren, zu Zeiten der Fußball-Weltmeisterschaft nicht hinreichend Aufmerksamkeit zu bekommen.

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