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Unter Druck. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron.

© REUTERS

Streit um Rentenreform: Macron hat Zeit gewonnen, mehr nicht

Im Streit um die Rentenreform spielt die französische Regierung den Ball wieder an die Sozialpartner zurück. Eine Wende ist aber nicht in Sicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Wende oder Streik ohne Ende? Die Regierung in Frankreich hat einen wichtigen Punkt der Rentenreform ausgesetzt. Nach dem Zugeständnis an die Gewerkschaften, die seit mehr als fünf Wochen mit einem Streik bei Zugfahrern, Metro-Zugführern, Lehrerinnen oder Anwältinnen für erhebliche Beeinträchtigungen sorgen, spricht Staatschef Emmanuel Macron von einem „konstruktiven und verantwortungsvollen“ Kompromissvorschlag. Doch zum Jubeln gibt es für den Staatschef keinen Anlass. Denn der Konflikt um die Rentenreform könnte sich noch über die kommenden Monate hinziehen.

Mit dem Zugeständnis, die faktische Erhöhung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre vorerst vom Tisch zu nehmen, hat Regierungschef Edouard Philippe lediglich etwas Zeit gewonnen. Gemeinsam mit den Sozialpartnern will die Regierung bei einer Finanzierungskonferenz nach Vorschlägen suchen, welche die umstrittene Änderung beim Renteneintrittsalter ersetzen könnten.

Die Regierung will den Sozialpartnern nicht komplett das Lenkrad überlassen

Damit spielt der Regierungschef den Ball erst einmal wieder an die Gewerkschaften zurück, die nun bei der Suche nach den fehlenden Milliarden in der Rentenkassse gefordert sind. Allerdings will die Regierung keinesfalls den Sozialpartnern das Spielfeld überlassen: Falls bis April keine Ersatzlösung auf dem Tisch liegt, könnte Macron seinen ursprünglichen Vorschlag wiederbeleben. Und der würde von den Franzosen verlangen, länger zu arbeiten, bevor sie ohne Abschläge in Rente gehen können. Das wäre sinnvoll, denn auch in Frankreich stehen immer mehr Rentner immer weniger Beschäftigten gegenüber. Auch die Einführung eines Punktesystems ähnlich wie in Deutschland dürfte für breite Bevölkerungsschichten zur Verbesserung bei den Ansprüchen führen.

Der Regierung gelingt es aber nicht, mit diesen Argumenten durchzudringen. Viel Vertrauen ging verloren, als der Rentenbeauftragte Jean-Paul Delevoye im vergangenen Monat seinen Hut nehmen musste. Delevoye musste zurücktreten, weil er die Angabe von Nebeneinkünften „vergessen“ hatte.

Reformen stoßen in Frankreich grundsätzlich auf Skepsis

Theoretisch hätte Macron die Möglichkeit, die Reform im Parlament trotz des Widerstands der Gewerkschaften durchzupeitschen. Doch damit würde sich der Präsident vollends von der Öffentlichkeit abkoppeln. Nach dem Protest der „Gelbwesten“ hatte Macron angekündigt, dass nun der „zweite Akt“ in seiner Präsidentschaft bevorstehe. Der Staatschef gelobte, künftig nicht mehr als „Jupiter“ von oben herab regieren zu wollen, sondern Demut zu zeigen. Die Frage ist nur: Wie viel Demut kann Macron in einem Land zeigen, das Reformen zutiefst verabscheut?

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