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Ungarns Regierungschef Viktor Orban beim letzten EU-Gipfel Mitte des Monats.

© AFP

Streit um Rechtsstaats-Sünder in der EU: Europaabgeordnete hoffen auf Kompromiss

Müssen Länder wie Ungarn und Polen bald mit einer Kürzung von EU-Subventionen rechnen? Bei den Verhandlungen zu dieser Streitfrage gibt es in Brüssel Bewegung.

Die mögliche Kürzung von EU-Subventionen für Rechtsstaats-Sünder wie Ungarn und Polen gehörte zu den am heftigsten umstrittenen Themen beim Brüsseler Marathon-Gipfel vom vergangenen Juli. Nach dem Gipfel erklärte Ungarns Regierungschef Viktor Orban seinerzeit selbstbewusst, er habe sich in dem Streit um mögliche Kürzungen durchgesetzt. Ob das tatsächlich stimmt, könnten die kommenden Tage zeigen. Denn in die Verhandlungen zwischen Europaparlament, EU-Kommission und den Mitgliedstaaten über die Details des so genannten Rechtsstaatsmechanismus ist Bewegung gekommen.  

Wie die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier am Mittwoch erklärte, habe es am Dienstag bei der dritten Verhandlungsrunde Fortschritte gegeben. Allerdings könne man noch nicht von einem endgültigen Durchbruch sprechen, schränkte die Co-Verhandlungsführerin des Europaparlaments ein. 

Das Feld für Sanktionen soll ausgeweitet werden

Bewegung gibt es nach den Worten von Hohlmeier in der Frage, welche Rechtsstaats-Verstöße überhaupt Mittelkürzungen zur Folge haben können. Ende September hatte die deutsche EU-Ratspräsidentschaft ein Kompromisspapier vorgelegt, dem zufolge Zuwiderhandlungen gegen das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit nur dann zu geringeren Subventionen führen würden, wenn die finanziellen Interessen der EU unmittelbar betroffen sind.  

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Die Europaabgeordneten forderten hingegen, dass die EU schon dann handeln müsse, wenn der Rechtsstaat grundsätzlich in einem Mitgliedstaat unter die Räder zu kommen droht. In diesem Sinne haben sich die EU-Staaten nun offenbar bewegt. Es werde von den EU-Mitgliedstaaten anerkannt, dass Mittelkürzungen auch dann fällig werden sollen, wenn die Unabhängigkeit von Richtern und die Neutralität einer Staatsverwaltung nicht mehr gewährleistet sind, sagte Hohlmeier.  

Auch der FDP-Europaabgeordneten Moritz Körner zeigte sich optimistisch: „Wir haben einen Schritt nach vorne gemacht.“  An diesem Donnerstag sollen die Verhandlungen über den Rechtsstaatsmechanismus fortgesetzt werden.  

Strittig ist allerdings noch die Frage, nach welchem Verfahren überhaupt die Prozedur in Gang gesetzt werden soll, die zur Kürzung oder kompletten Streichung von EU-Geldern führen würde. Während sich die EU-Kommission und das Europaparlament ein Verfahren wünschen, das die Entscheidungshoheit im Wesentlichen in die Hände der Brüsseler Behörde legt, pochen die  Mitgliedstaaten darauf, dass ein Beschluss der Kommission zur Mittelkürzung noch einmal mit qualifizierter Mehrheit durch die EU-Länder bestätigt werden muss. 

Orban pocht auf einen Notfall-Mechanismus

Theoretisch müssten Länder wie Ungarn und Polen bei dem Verfahren nach qualifizierter Mehrheit damit rechnen, von anderen Staaten überstimmt zu werden. Aus diesem Grund möchte sich Ungarns Regierungschef Orban künftig die Möglichkeit vorbehalten, eine drohende Kürzung von EU-Subventionen zusätzlich auf die Tagesordnung eines EU-Gipfels zu setzen. Dort gilt zwar in aller Regel das Prinzip der Einstimmigkeit; aber Hohlmeier sieht nicht die Gefahr, dass Orban auf Gipfelebene Subventionskürzungen per Veto aushebeln könnte: „Die Einstimmigkeit ist Gott sei Dank vom Tisch.“ 

Probleme sieht die CSU-Abgeordnete indes mit einem Vorschlag des deutschen EU-Vorsitzes, der es den Mitgliedstaaten erlauben würde, drohende Verfahren im Zuge des Rechtsstaatsmechanismus einfach auszusitzen. Komme es unter den Mitgliedstaaten zu keiner Entscheidung, dann müsse ein Vorschlag der Kommission zur Mittelkürzung als angenommen gelten, schlug Hohlmeier deshalb vor.  

Mit einer pünktlichen Auszahlung des Milliarden-Pakets ist nicht mehr zu rechnen

Nachdem sich die Verhandlungen über den Rechtsstaatsmechanismus schon seit Wochen hinziehen, wächst der Einigungsdruck zusehends. Kein Wunder: Ohne einen Kompromiss können die Gelder aus dem Finanzpaket mit einem Volumen von insgesamt 1,8 Billionen Euro nicht fließen, auf das sich die Staats- und Regierungschefs im Juli geeinigt hatten. Allerdings zeichnet sich bereits ab, dass die Mittel wegen der langwierigen Kompromisssuche nicht fristgerecht zu Beginn des kommenden Jahres bereitstehen werden.  

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