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Finanzminister Olaf Scholz (l.) mit seinem Staatssekretär Wolfgang Schmidt, der Beschluss-Auszüge bei Twitter teilte.

© Thomas Koehler / imago/photothek

Streit um Razzia im Bundesfinanzministerium: Bundestag darf Durchsuchungsbeschluss nicht lesen – aber wer durfte es?

Das Ministerium lehnt die Übersendung ans Parlament ab, weil das strafbar sein könnte. Unklar ist, wer das Dokument schon bekam. Die SPD-Spitze nicht, heißt es.

Im Streit um die Durchsuchungen von zwei Ministerien in Berlin lehnt es das Bundesfinanzministerium von Minister Olaf Scholz (SPD) ab, den Gerichtsbeschluss zu der Maßnahme im Bundestag vorzulegen. Das geht aus einem Schreiben der Parlamentarischen Staatssekretärin im Ministerium Sarah Ryglewski (SPD) an den Bundestags-Finanzausschuss hervor, das dem Tagesspiegel vorliegt. Grund sei eine mögliche Strafbarkeit der Übersendung im Hinblick auf den Strafrechtsparagrafen 353d, der die Veröffentlichung von Dokumenten aus laufenden Ermittlungsverfahren verbietet.

Die Frage der Rechtmäßigkeit einer Übersendung sei „nicht abschließend und rechtssicher“ zu bewerten, hieß es. Daher müsse „im Ergebnis um Verständnis dafür gebeten werden, wenn derzeit von einer Übersendung der Durchsuchungsanordnungen abgesehen wird“. Zugleich sei „uns an voller Transparenz gelegen (…), um Falschmeldungen und Unterstellungen begegnen zu können“.

Heute befragt der Finanzausschuss Minister Scholz

Am Montagvormittag befragt der Ausschuss Scholz zu der Angelegenheit. Finanz-Staatssekretär Wolfgang Schmidt (SPD) hatte einen nur wenige Zeilen langen Auszug des insgesamt vierseitigen Beschlusses vergangenen Sonntag bei Twitter veröffentlicht und erklärt, es sei „nötig, dass sich die Öffentlichkeit selber ein Bild von den Fakten machen kann“. Gleichwohl hat die Staatsanwaltschaft Osnabrück ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet und nach Berlin abgegeben.

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat ebenfalls die Durchsuchungen kritisiert und Scholz' Staatssekretär Wolfgang Schmidt ausdrücklich in Schutz genommen. Dessen Twitter-Veröffentlichung sei „notwendig gewesen, weil die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft grob fahrlässig war“, sagte die Politikerin im SWR-Hörfunk.

Anfragen, wem der Beschluss geschickt wurde, beantwortet das Ministerium bisher nicht

Offen bleibt, welchen weiteren staatlichen Stellen oder privaten Dritten das Finanzministerium den Gerichtsbeschluss bisher übersandt hat, um seine Kritik an der Staatsanwaltschaft plausibel zu machen. Anfragen dazu beantwortet das Ministerium nicht. Die SPD erklärte auf Anfrage am Sonntag, Esken persönlich sowie ihrem Ko-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans liege der Beschluss nicht vor. „Auch sonst ist nicht bekannt, dass er irgendwo an anderer Stelle vorliegt“. Anfragen an Vertreter der SPD-Fraktion im Bundestag blieben zunächst unbeantwortet.

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Wie berichtet, hatte die Staatsanwaltschaft wegen Ermittlungen in der „Financial Intelligence Unit“ (FIU) des Zolls Durchsuchungsbeschlüsse für das Justiz- und das Finanzministerium erwirkt, das die Rechtsaufsicht über die FIU führt. Das Ministerium und SPD-Parteikreise werfen den Ermittlern vor, sie hätten damit überzogen, schriftliche Anfragen hätten genügt. Ein Beleg dafür sei auch, dass die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft den Eindruck entstehen lasse, die Leitung des Ministeriums sei mitverdächtig. Der Tatverdacht richte sich jedoch nur gegen Unbekannte in der FIU.

Staatsanwaltschaft bezweifelte „Kooperationsbereitschaft der Behörden“

Die Staatsanwaltschaft wies den Vorwurf zurück. Die Formulierungen stellten klar, „dass die Staatsanwaltschaft in alle Richtungen ermittelt“. Ein Gerichtsbeschluss müsse auf diesen Punkt nicht abheben. Die Durchsuchungen seien auch nicht überzogen gewesen. Vielmehr habe man aufgrund vorangegangener Kommunikation „die Kooperationsbereitschaft der beiden Behörden“ so eingeschätzt, dass „für den Fall einer schriftlichen Anfrage möglicherweise nicht mit einer kurzfristigen, freiwilligen und ungefilterten Herausgabe aller benötigten Daten gerechnet werden kann“.

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