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Auf Konfliktkurs. Brexit-Minister David Frost (im Hintergrund) und der britische Regierungschef Boris Johnson.

© Leon Neal/AFP

Streit um Nordirland-Protokoll: Der „Wurstkrieg“ geht in die nächste Runde

Für den britischen Premier Johnson ist das Nordirland-Protokoll „untragbar“. Das macht er in einem Telefonat mit Kommissionschefin von der Leyen deutlich.

Seit Anfang des Jahres hat Großbritannien die Zollunion mit der EU verlassen. Seither wird zunehmend deutlich: Der britische Premier Boris Johnson hat offenkundig nicht die Absicht, das so genannte Nordirland-Protokoll einzuhalten, dem er selbst noch 2019 bei den Brexit-Verhandlungen mit der EU zugestimmt hatte. Johnson telefonierte am Donnerstag mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und machte dabei nach den Angaben eines Regierungssprechers deutlich, dass die Regelungen des Nordirland-Protokolls „untragbar“ seien.

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Damit ist eine neue Eskalationsstufe in der Auseinandersetzung zwischen der EU und Großbritannien um Nordirland erreicht, die von einigen britischen Medien als „Wurstkrieg“ bezeichnet wird. In Nordirland droht ein Importverbot für gefrorenes Fleisch aus England, Schottland und Wales, weil die Provinz nach den Brexit-Bestimmungen weiter den Regelungen des EU-Binnenmarktes unterliegt. Doch Johnson will inzwischen mit den Folgen des Brexit-Abkommens nichts mehr zu tun haben.

Brexit-Minister Frost verlangt Moratorium

Schon vor dem Telefonat zwischen Johnson und von der Leyen hatte der Londoner Brexit-Minister David Frost deutlich gemacht, dass London im Nordirland-Streit weiter auf Konfrontationskurs geht. Damit die Regale der Supermärkte in Nordirland bis auf Weiteres mit Fleischimporten aus dem Rest des Vereinigten Königreichs gefüllt werden können, hatte die EU der Regierung in London zuletzt eine weitere Übergangsfrist bis Ende September gewährt. Dadurch sollen britische Supermarkt-Ketten Zeit zur Anpassung an die neue Lage nach dem Ausscheiden aus der Zollunion bekommen.

Doch inzwischen spricht Brexit-Minister Frost davon, dass es ein komplettes „Moratorium“ für das Nordirland-Protokoll geben solle. Während eines solchen Moratoriums soll die Vereinbarung nicht umgesetzt werden; gleichzeitig möchte die britische Regierung das Nordirland-Protokoll in der Zwischenzeit nachverhandeln. Doch aus der Sicht von der Leyens ist es undenkbar, das Paket noch einmal aufzuschnüren. Nach dem Telefonat mit Johnson twitterte sie: „Die EU wird weiterhin im Rahmen des Protokolls kreativ und flexibel sein. Aber wir werden nicht neu verhandeln.“

Mit Nordirland-Protokoll wird harte Landgrenze vermieden

Die Nordirland-Frage war bei den Brexit-Verhandlungen 2019 der größte Stolperstein gewesen. Am Ende einigten sich beide Seiten darauf, dass Nordirland auch in Zukunft den Regelungen des EU-Binnenmarktes unterliegt. Damit wurde eine „harte Grenze“ zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindert. Gleichzeitig verpflichtete sich Johnson aber dazu, Zollkontrollen an der Irischen See zwischen Großbritannien und Nordirland durchzuführen.

Supermarkt-Ketten warnen vor höheren Preisen

Doch was dies in der Praxis bedeutet, wurde für den Handel innerhalb des Vereinigten Königreichs erst seit dem Beginn dieses Jahres mit dem Austritt Großbritanniens aus der Zollunion deutlich. Vor wenigen Tagen warnten Vertreter von Supermarktketten wie Tesco, Asda und Marks and Spencer die britische Regierung und die EU-Kommission davor, dass eine vollständige Umsetzung des Nordirland-Protokolls zu höheren Preisen für die Verbraucher in Nordirland führen werde.

Dennoch beharrt die EU darauf, dass im Grundsatz nicht am Protokoll gerüttelt werden dürfe. Im März leitete die Brüsseler Behörde rechtliche Schritte ein, mit denen sie Johnson notfalls dazu zwingen will, sich endgültig zur Vereinbarung zu bekennen.

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