zum Hauptinhalt
Ein Arbeiter bearbeitet ein Stück Pipeline für die Gastrasse Nord Stream 2.

© REUTERS/Stine Jacobsen/File Photo/File Photo

Streit um Nord Stream 2: Deutschlands gefährlicher Alleingang

Auch Frankreich legt Deutschland nahe, die Pipeline Nord Stream 2 zu stoppen. Die Bundesregierung hätte schon längst handeln müssen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claudia von Salzen

Die Botschaft aus Paris war diplomatisch verpackt, aber sie hatte es in sich: Frankreichs Europastaatssekretär ließ in einem Interview erkennen, dass er einen Stopp der Pipeline Nord Stream 2 befürwortet, um damit auf die Inhaftierung des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny zu reagieren.

Frankreich habe immer schon „die größten Zweifel“ an dem Projekt gehabt. Aber entscheiden müssten die Deutschen natürlich selbst. Diese Äußerung stellt nun die Bundesregierung vor ein Dilemma.

Bisher hatten die Befürworter der Pipeline Kritik anderer Staaten an der Ostsee-Pipeline stets beiseite gewischt. Als Polen und die baltischen Staaten Einwände gegen das Projekt des russischen Konzerns geltend machten, wurden sie von der deutschen Politik nicht ernst genommen und als übertrieben russlandkritisch belächelt.

Den USA, die es nicht bei Kritik belassen hatten, sondern Sanktionen gegen die Pipeline verhängten, unterstellten die deutschen Befürworter, sie handelten einzig und allein aus ökonomischen Interessen und wollten nur ihr Fracking-Gas verkaufen.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Die Einwände aus Paris dagegen lassen sich nicht so einfach übergehen. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron setzte in den vergangenen Jahren auf eine Annäherung an Russland, mit dem Energiekonzern Engie gehört auch eine französische Firma zu den Finanzinvestoren bei Nord Stream 2.

In Europa sind längst die Gegner der Pipeline in der großen Mehrheit. Das Europäische Parlament stimmte kürzlich für einen sofortigen Baustopp des Pipeline-Projekts, und zwar als Teil einer europäischen Reaktion im Fall Nawalny.

Seit Jahren ignoriert die Bundesregierung alle Warnungen

Die Zahlen sprachen für sich: 581 Abgeordnete votierten dafür, nur 50 sprachen sich dagegen aus, darunter vor allem Deutsche. Schon früher hatte sich das Europäische Parlament mehrheitlich gegen Nord Stream 2 gestellt.

Nord Stream 2 steht im Widerspruch zu zentralen Anliegen, auf die sich die Europäer verpflichtet haben, darunter eine gemeinsame Energiepolitik und vor allem mehr Anstrengungen für den Klimaschutz. Hinzu kommen die außenpolitischen Kollateralschäden. Schließlich würde sich die teure Pipeline für Gazprom erst so richtig auszahlen, wenn die bestehende Leitung durch die Ukraine stillgelegt würde.

Doch die Bundesregierung ignoriert seit Jahren alle Warnungen und Einwände und versucht weiter so zu tun, als sei Nord Stream 2 ein rein wirtschaftliches Vorhaben. Mit ihrem Festhalten an dem Projekt wagt sie in Europa einen gefährlichen Alleingang.

Man kann nicht in Sonntagsreden die europäische Solidarität beschwören und zugleich ohne Rücksicht auf Verluste ein Projekt durchdrücken, das am Ende nur dem Kreml nützt und Europa spaltet.

Den besten Zeitpunkt, Nord Stream 2 zu beenden, hat die Bundesregierung längst verpasst. Dennoch muss sie endlich handeln. Viel größer als die ökonomischen Kosten eines Baustopps wäre der langfristige politische Schaden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false