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Hat Angela Merkel zu lange auf Ausgleich mit Wladimir Putin gesetzt und damit Fehlentwicklungen begünstigt? Die Frage steht nun im Raum.

© OZAN KOSE/AFP

Streit um die deutsche Russlandpolitik: Auch Merkel wird nun neu vermessen

Wer trägt Verantwortung dafür, dass Putins Aggressivität in Berlin unterschätzt wurde? Die SPD streitet heftig – und auch die Ex-Kanzlerin gerät in den Blick.

Von Hans Monath

In der SPD verschärft sich wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine die Auseinandersetzung über die Rolle der Partei in der deutschen Russlandpolitik der vergangenen Jahre. Eine Minderheit im Geschichtsforum der SPD wirft der Mehrheit nun vor, sie betreibe nur Nabelschau und scheue vor notwendigen, harten sicherheitspolitischen Konsequenzen zurück.

In der Öffentlichkeit und der Union wird aber auch die Politik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gegenüber Moskau und Präsident Wladimir Putin neu vermessen, die lange als erfolgreiche Managerin internationaler Krisen galt.

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„In unserer Partei, der SPD, scheinen manche Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die Trümmer ihrer Ostpolitik mehr zu bekümmern, als die Trümmerlandschaften, die Putins Bomben in der Ukraine modellieren’“, schreiben Jan C. Behrends, Nikolas Dörr und Ulrich Mählert für die Minderheit im Geschichtsforum.

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Das „Appeasement“ gegenüber Putins Russland sei mit dem mörderischen Krieg Deutschlands gegen die Sowjetunion begründet und dabei die Tatsache ausgeblendet worden, dass die Ukrainer dessen erste Opfer waren.

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Seine Nähe zum russischen Aggressor ist der SPD längst peinlich: Gerhard Schröder und sein Freund Wladimir Putin 2018.
Seine Nähe zum russischen Aggressor ist der SPD längst peinlich: Gerhard Schröder und sein Freund Wladimir Putin 2018.

© Alexei Druzhinin/Itar-TASS/imago images

Willy Brandts Ostpolitik sei zum Selbstzweck erhoben und dabei vergessen worden, dass er anteilig weit mehr Geld für eine wehrfähige Bundeswehr ausgegeben habe als Regierungen nach der Wiedervereinigung. Auch sei der Weg Russlands in eine neue Diktatur durchaus vorhersehbar gewesen. Statt sich zur Aufrüstung der Bundeswehr und zu Waffenlieferungen an die Ukraine zu bekennen, kündige die Mehrheit „eine halbherzig wirkende Bestandsaufnahme der Entspannungspolitik in Geschichte und Gegenwart“ an.

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Die drei Historiker fordern die Aufarbeitung der deutschen Russlandpolitik durch eine Enquetekommission des Bundestags. Der Vizechef der Unionsfraktion, Johann Wadephul (CDU), sagte dazu, jeder „sollte kritisch reflektieren, ob man die aggressiven Absichten Putins unterschätzt hat“.

Bis zum ersten Schuss habe allerdings „eine überwältigende Mehrheit Putins Bereitschaft, einen echten Eroberungskrieg zu führen, nicht wahrhaben wollen“. Grund sei neben Naivität auch, dass der Krieg „rational nicht zu rechtfertigen“ sei. Es habe gute Gründe gegeben, eine Einbindung Russlands zu versuchen. „Verabsäumt wurde allerdings, sich auf das eingetretene Negativszenario hinreichend vorzubereiten“, sagte der CDU-Politiker.

Die FDP lehnt eine Enquete-Kommission ab. „Diese Frage sollte man den Historikern überlassen“, sagte Außenpolitiker Ulrich Lechte. Das Parlament stehe vor anderen Herausforderungen. Die Fraktionen von SPD und Grünen ließen die Anfrage des Tagesspiegels unbeantwortet.

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